Service Gesellschafter/Geschäftsführer
Drohende Aufrechnung trotz laufenden Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung
Hat der Steuerpflichtige bei Gericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt und droht in diesem Verfahren eine Abtretung des Finanzamts an ein anderes Finanzamt, das gegenüber dem Steuerpflichtigen aufrechnen soll, kann der Steuerpflichtige einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Finanzgericht stellen, damit die Abtretung vorübergehend unterbunden wird.
Hintergrund: Erhält der Steuerpflichtige einen Steuerbescheid, aus dem sich eine Nachzahlungsverpflichtung zu seinen Lasten ergibt, kann er gegen den Bescheid Einspruch einlegen und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt und ggf. beim Finanzgericht stellen, damit die Nachzahlung vorübergehend gestoppt wird. Voraussetzung ist, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Eine andere Art des Eilverfahrens ist die sog. einstweilige Anordnung, die statthaft ist, wenn ein Anspruch des Steuerpflichtigen vereitelt werden könnte.
Sachverhalt: Das Finanzamt A erließ gegenüber dem Antragsteller, der Geschäftsführer der C-GmbH gewesen war, einen Haftungsbescheid über einen Betrag von ca. 315.000 €; hierbei handelte es sich um Steuerschulden der C-GmbH. Der Antragsteller legte hiergegen Einspruch ein und beantragte am 20.2.2025 die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids beim Finanzgericht, nachdem das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte. Der Antragsteller wurde einkommensteuerlich beim Finanzamt B geführt, bei dem er einen Anspruch auf Steuererstattung erwartete. Während des gerichtlichen Verfahrens teilte das Finanzamt A am 7.3.2025 dem Gericht mit, dass es den Zahlungsanspruch aus dem streitigen Haftungsbescheid an das Finanzamt B abtreten werde, damit dieses gegenüber dem Antragsteller aufrechnen kann. Der Antragsteller stellte daraufhin beim Finanzgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, damit sichergestellt wird, dass sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen bezüglich des Haftungsbescheids unterbleiben.
Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt:
Ein Antragsteller, der einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellt, hat einen Anspruch auf ungestörte Durchführung des Verfahrens. Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.
Dieser Anspruch wird gestört, wenn das Finanzamt A als Antragsgegner während des Verfahrens die Vollstreckung betreibt, die durch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gerade verhindert werden soll. Besonders wichtige Gründe für den sofortigen Vollzug des Haftungsbescheids sind im Streitfall nicht erkennbar.
Der Antragsteller kann daher mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen, dass die Vollstreckung unterbleibt, bis über seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden wird.
Hinweise: Das Finanzgericht untersagte daher dem Finanzamt A die Abtretung des Anspruchs aus dem Haftungsbescheid und hob – für den Fall, dass die Abtretung bereits erfolgt ist – die Abtretungserklärung des Finanzamts A auf.
Üblicherweise vollstrecken die Finanzämter nicht, wenn der Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat, über den noch nicht entschieden ist. Die Vorgehensweise der beiden Finanzämter A und B ist daher ungewöhnlich, auch wenn streitig ist, ob eine Aufrechnung eine typische Vollstreckung ist. Unüblich ist aber auch, ein zweites Eilverfahren – hier den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – „zwischenzuschieben“, um Luft für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung zu haben. In der Praxis kann das Finanzamt durch einen Anruf des Gerichts von der Vollziehung abgehalten werden; gelingt dies nicht, weil das Finanzamt mitteilt, dass es gleichwohl vollstrecken will, kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vorgezogen und zugunsten des Steuerpflichtigen gerichtlich entschieden werden, damit eine Vollziehung unterbleibt, bis eine abschließende Entscheidung über mögliche ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids ergehen kann; man nennt dies auch „gerichtliche Hängeverfügung“.
Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.3.2025 – 9 V 9049/25; NWB
Grunderwerbsteuer: Rechtliche Zweifel an der Verlängerung der Nachbehaltensfrist bei Steuerbefreiungen
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Rahmen eines Eilverfahrens rechtliche Zweifel geäußert, ob die gesetzliche Verlängerung der sog. Nachbehaltensfrist von fünf auf zehn Jahre bei der Übertragung eines Grundstücks von einer Personengesellschaft auf eine (teilweise) beteiligungsidentische Personengesellschaft rechtmäßig ist, wenn die Grundstücksübertragung vor dem Inkrafttreten der gesetzlichen Verlängerung am 1.7.2021 erfolgt ist.
Hintergrund: Die Grundstücksübertragung von einer Personengesellschaft auf eine andere Personengesellschaft ist grunderwerbsteuerfrei, soweit an den Personengesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind. Allerdings müssen dann die Gesellschafter an der übernehmenden Personengesellschaft noch zehn Jahre beteiligt bleiben, sog. Nachbehaltensfrist. Vor dem 1.7.2021 belief sich die Nachbehaltensfrist lediglich auf fünf Jahre.
Sachverhalt: Im Jahr 2015 wurde eine OHG gegründet, an der A, B und C beteiligt waren. A, B und C waren außerdem an einer KG beteiligt, die zwei Grundstücke besaß. Im Jahr 2018 brachte die KG die beiden Grundstücke in die OHG ein. Das Finanzamt behandelte diesen Vorgang als grunderwerbsteuerfrei, weil an beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter mit der jeweils selben Quote beteiligt waren. Das Finanzamt wies die OHG auf die – damalige – fünfjährige Nachbehaltensfrist hin. Im Jahr 2023, etwas mehr als fünf Jahre nach der Einbringung, wurde die OHG in eine GmbH umgewandelt, so dass A, B und C nicht mehr an einer Personengesellschaft beteiligt waren. Nachdem der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.7.2021 die fünfjährige Nachbehaltensfrist auf zehn Jahre verlängert hatte, besteuerte das Finanzamt im Jahr 2023 die im Jahr 2018 erfolgte Einbringung der beiden Grundstücke mit der Begründung, durch den Formwechsel sei die nunmehr geltende zehnjährige Nachbehaltensfrist verletzt worden; das Finanzamt erließ daher gegenüber der GmbH einen Grunderwerbsteuerbescheid. Hiergegen legte die GmbH Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzgericht gab dem Antrag statt, ließ aber die Beschwerde zum BFH zu, so dass nun der BFH entscheiden musste.
Entscheidung: Der BFH folgte dem Finanzgericht und gewährte die Aussetzung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids:
Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grunderwerbsteuerbescheids. Denn es ist unklar, ob im Streitfall bereits die neue zehnjährige Nachbehaltensfrist gilt, so dass der Grunderwerbsteuerbescheid rechtmäßig wäre, oder ob noch die fünfjährige Nachbehaltensfrist galt, so dass der Grunderwerbsteuer rechtswidrig wäre.
Im Gesetz finden sich zwei unterschiedliche Übergangsregelungen zum Inkrafttreten der neuen zehnjährigen Nachbehaltensfrist, die widersprüchlich formuliert sind:
Nach der einen Übergangsregelung soll die neue zehnjährige Nachbehaltensfrist erstmals für Erwerbsvorgänge gelten, die nach dem 30.6.2021 verwirklicht wurden. Die zehnjährige Nachbehaltensfrist wäre danach im Streitfall nicht anwendbar, weil der Erwerbsvorgang, die Einbringung der beiden Grundstücke, bereits im Jahr 2018 erfolgt war.
Nach der anderen Übergangsregelung soll die neue zehnjährige Nachbehaltensfrist nicht gelten, wenn die fünfjährige Nachbehaltensfrist am 1.7.2021 bereits abgelaufen war. War sie noch nicht abgelaufen – wie im Streitfall – würde die Nachbehaltensfrist auf zehn Jahre verlängert werden. Diese Zehnjahresfrist wäre damit anwendbar, und sie wäre durch den Formwechsel im Jahr 2023 verletzt worden; aufgrund des Formwechsels von der OHG in die GmbH waren A, B und C nämlich nicht mehr an einer Personengesellschaft beteiligt.
Aus dem Gesetz ergeben sich keine Anhaltspunkte, wie sich die beiden einander widersprechenden Übergangsregelungen zueinander verhalten. Daher ist die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids auszusetzen.
Hinweise: Die Aussetzung der Vollziehung hat zur Folge, dass die GmbH, die aus der OHG hervorgegangen ist, die Grunderwerbsteuer erst einmal nicht zu bezahlen braucht, bis das Hauptsacheverfahren (Einspruchsverfahren und ggf. anschließend das Klageverfahren) abgeschlossen ist.
Der aktuelle Beschluss zeigt, wie ungenau der Gesetzgeber gearbeitet hat; denn nur eine der beiden Übergangsregelungen kann richtig sein. Für die Praxis ist es wichtig, dass etwaige Grunderwerbsteuerbescheide durch Einspruch angefochten werden und ggf. auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt wird, wenn die Zahlung der Grunderwerbsteuer erst einmal vermieden werden soll. Sollte der BFH in einem späteren Hauptsacheverfahren der GmbH Recht geben, wären entsprechende Grunderwerbsteuerbescheide aufzuheben, bei denen der Erwerbsvorgang vor dem 1.7.2021 erfolgt ist und die Beteiligung an der übernehmenden Personengesellschaft erst nach Ablauf von fünf Jahren aufgegeben oder vermindert worden ist.
Quelle: BFH, Beschluss vom 10.4.2025 – II B 54/24 (AdV); NWB
Kleinflugzeug einer GmbH
Die Kosten für die Anschaffung eines Kleinflugzeugs durch eine GmbH, das der Geschäftsführer ausschließlich für Geschäftsreisen einsetzt, sind nicht zwangsläufig unangemessen, sondern können als Betriebsausgaben absetzbar sein. Für die Angemessenheit sprach im aktuellen Fall, dass der Geschäftsführer keine Privatpilotenlizenz besaß, dass der Betriebssitz der GmbH verkehrstechnisch schlecht an das Bahn- und Autobahnnetz angebunden war und dass die Kosten für die einzelnen Flüge nicht höher waren als für Reisen mit einem Charterflugzeug.
Hintergrund: Betriebsausgaben, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, sind nicht abziehbar, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung unangemessen sind. Sie werden dann außerbilanziell dem Gewinn wieder hinzugerechnet.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die ihren Standort in den Streitjahren 2017 bis 2019 in D hatte; der Ort D war an das Bahn- und Autobahnnetz nicht gut angeschlossen. Alleingesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin war A. Am 30.8.2017 erwarb die Klägerin ein gebrauchtes Kleinflugzeug zum Preis von 418.000 € netto. Im September 2020 verkaufte sie das Flugzeug für netto 405.000 €. Anschließend erwarb sie ein anderes gebrauchtes Kleinflugzeug, das sie im Jahr 2023 veräußerte, als die Klägerin in den verkehrstechnisch besser angeschlossenen Ort E umzog. Das Flugzeug wurde ausschließlich für betriebliche Zwecke genutzt, überwiegend von A, der keine Privatpilotenlizenz hatte, sondern einen Berufspiloten buchte. In den drei Streitjahren wurden 28 Flüge (2017), 38 Flüge (2018) und 21 Flüge (2019) durchgeführt; die Kosten für das Flugzeug beliefen sich auf ca. 55.000 € (2017), 128.000 € (2018) und 76.000 € (2019). Das Finanzamt hielt die Kosten für unangemessen und erkannte lediglich 17.000 € (2017), 21.000 € (2018) und 11.000 € (2019) an; dabei legte es die Entfernungspauschale von 0,30 €, einen Stundenlohn von 10 € für einen Chauffeur sowie die erforderlichen Hotelkosten zu Grunde.
Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Kriterien für die Unangemessenheit sind die Höhe der Einnahmen und des Gewinns, die Bedeutung des Repräsentationsaufwands für den Geschäftserfolg, die Üblichkeit des Aufwands in vergleichbaren Fällen, die Existenz objektiver Gründe für den Mehraufwand und die Intensität der Berührung der privaten Lebenssphäre.
Im Streitfall wurde die private Lebensführung des A nur sehr eingeschränkt durch das Flugzeug berührt. Denn A durfte das Flugzeug mangels Pilotenlizenz nicht selbst fliegen, und er nutzte das Flugzeug auch nicht für Privatflüge, sondern ausschließlich für Dienstreisen.
In den Jahren 2017 und 2019 lagen die Kosten für das Flugzeug nur geringfügig über 10 % des Gewinns, so dass dies nicht als unangemessen hoch anzusehen ist. Im Jahr 2018 betrug der Kostenanteil zwar ca. 25 % des Gewinns, aber es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Einsatz des Flugzeugs zu einer – tatsächlich eingetretenen – Umsatzsteigerung führte. Immerhin konnte das Flugzeug bei jedem Wetter genutzt werden, und A war auch für den Vertrieb zuständig.
Im Übrigen lagen die Kosten für das Flugzeug nicht über den Kosten, die im Fall von Charterflügen entstanden wären. Charterflüge sind nach der Verkehrsauffassung nicht stets unangemessen. Zudem war auch der Wertverfall des Flugzeugs gering, da bei dessen nach über drei Jahren nur eine Wertminderung von 13.000 € eingetreten war.
Schließlich ist auch die Zeitersparnis zu berücksichtigen, die der Kläger für seine Tätigkeit nutzen konnte. Insbesondere bei Terminen mit ungewisser Dauer konnte sogleich der Rückflug angetreten werden. Die GmbH hat nach ihrem Umzug in das verkehrstechnisch besser angeschlossene E auch kein Flugzeug mehr genutzt.
Hinweise: Das Urteil macht deutlich, dass es nicht Aufgabe der Finanzverwaltung ist, unternehmerische Entscheidungen durch eigene Entscheidungen, die durch den öffentlichen Dienst geprägt sind, zu ersetzen. Insbesondere der Ansatz eines Stundenlohns von 10 € für einen Chauffeur, den das Finanzamt für die Berechnung der angemessenen Kosten vorgenommen hat, erscheint doch etwas weltfremd. Letztendlich muss der Unternehmer entscheiden, mit welchem Verkehrsmittel er die Geschäftspartner aufsucht und ob er z.B. die Kosten für die 1. Klasse (bei der Bahn) oder Business Class (beim Linienflugzeug) in Kauf nimmt, weil er dann ausgeruhter am Ziel ankommt oder die Reisezeit zum Arbeiten nutzen kann.
Die Kosten für das Flugzeug waren nicht als verdeckte Gewinnausschüttung anzusetzen, da dem A kein Vorteil zugewendet wurde; denn er hat das Flugzeug nicht für Privatflüge eingesetzt.
Quelle: FG Münster, Urteil vom 15.4.2025 – 9 K 126/22 K, G; NWB
Abfindung für Aufhebung eines Vorbehaltsnießbrauchs
Die an einen Nießbrauchsberechtigten gezahlte Abfindung für die Aufhebung eines Vorbehaltsnießbrauchs an GmbH-Anteilen unterliegt nicht der Einkommensteuer, wenn der Nießbrauchsberechtigte nicht wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile ist; am wirtschaftlichen Eigentum fehlt es, wenn sich der Nießbrauch nur auf das Gewinnbezugsrecht erstreckt, nicht aber auch auf das Stimmrecht und die sonstigen Mitverwaltungsrechte.
Hintergrund: Mit einem Nießbrauch wird einem Nicht-Eigentümer das Recht eingeräumt, die Nutzungen aus einer Sache oder aus einem Recht einzuziehen, z.B. die Miete eines Grundstücks oder die Dividenden aus GmbH-Anteilen. Von einem Vorbehaltsnießbrauch spricht man, wenn der Eigentümer einem Dritten, insbesondere einem Angehörigen, ein Grundstück oder GmbH-Anteile schenkt, sich aber den Nießbrauch vorbehält, also weiterhin die Nutzungen wie Miete oder Dividende erhalten will.
Sachverhalt: Die Klägerin war mit 49 % an der A-GmbH beteiligt. Im Jahr 2012 schenkte sie ihren beiden Töchtern jeweils die Hälfte ihrer Beteiligung, also jeder Tochter 24,5 %, und behielt sich einen Nießbrauch vor. Der Nießbrauch erstreckte sich auf den Gewinn, nicht aber auf die Mitgliedschaftsrechte wie z.B. das Stimmrecht. Im Jahr 2019 wollten die Töchter ihre Anteile an der A-GmbH lastenfrei verkaufen. Sie zahlten daher der Klägerin eine Abfindung, damit die Klägerin ihren Nießbrauch an den Anteilen aufgibt. Das Finanzamt behandelte die Abfindung als steuerbare Entschädigung für entgehende Einnahmen.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Eine Entschädigung für entgehende bzw. entgangene Einnahmen ist nur dann steuerbar, wenn die Einnahmen steuerpflichtig sind. Die Dividenden waren bei der Klägerin jedoch nicht steuerpflichtig.
Dividenden sind vom Anteilseigner zu versteuern. Dies erfordert das sog. wirtschaftliche Eigentum. Wirtschaftliches Eigentum an GmbH-Anteilen setzt voraus, dass der Erwerber eine rechtlich geschützte Position innehat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, dass ihm die mit dem GmbH-Anteil verbundenen wesentlichen Rechte wie z.B. das Stimmrecht und das Gewinnbezugsrecht zustehen und dass das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.
Im Streitfall hatte die Klägerin seit 2012 kein wirtschaftliches Eigentum mehr an den GmbH-Anteilen. Zwar hatte sie sich den Nießbrauch vorbehalten. Der Nießbrauch erstreckte sich jedoch nur auf das Gewinnbezugsrecht und nicht auf die Mitverwaltungsrechte wie z.B. das Stimmrecht. Das Stimmrecht stand seit 2012 ihren Töchtern zu.
Die Abfindung war somit nicht steuerbar, da der Klägerin keine steuerpflichtigen Einnahmen entgingen.
Hinweise: Die Klägerin hatte auch nach der Übertragung der GmbH-Anteile auf ihre Töchter im Jahr 2012 die Dividenden versteuert. Dies war fehlerhaft, da ihr das wirtschaftliche Eigentum an den GmbH-Anteilen seit 2012 gar nicht mehr zustand. Richtigerweise hätten ihre Töchter die Dividenden seit 2012 versteuern müssen.
Der BFH hält an seiner aktuellen Rechtsprechung zum Nießbrauchsrecht an GmbH-Anteilen fest und verlangt, dass sich der Nießbrauch auch auf die Mitverwaltungsrechte wie das Stimmrecht erstrecken muss. Anderenfalls ist der Vorbehaltsnießbrauch steuerlich nicht anzuerkennen.
Quelle: BFH, Urteil vom 11. Februar 2025 – IX R 14/24; NWB
Geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft und körperschaftsteuerliche Organschaft
Eine geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft kann Organträger bei einer körperschaftsteuerlichen Organschaft sein, weil die geschäftsleitende Tätigkeit gewerblich ist. Es ist nicht erforderlich, dass die geschäftsleitende Holding-Personengesellschaft noch konzernintern entgeltliche Dienstleistungen erbringt oder andere gewerbliche Aktivitäten ausübt.
Hintergrund: Eine körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen einem Organträger und einer oder mehrerer Organgesellschaften ermöglicht die Zusammenfassung der Ergebnisse der Gesellschaften des Organkreises, so dass z.B. der Verlust der Organgesellschaft mit dem Gewinn des Organträgers oder einer anderen Organgesellschaft verrechnet werden kann. Als Organträger kommen insbesondere natürliche Personen oder Kapitalgesellschaften in Betracht. Nach dem Gesetz kann aber auch eine Personengesellschaft Organträger sein; dies setzt voraus, dass sie eine gewerbliche Tätigkeit ausübt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH. Nach einer Umstrukturierung war Alleingesellschafterin der Klägerin die X-KG, deren Gesellschafterin wiederum eine Stiftung war. Zwischen der Klägerin und der X-KG bestand ein Ergebnisabführungsvertrag, nach dem die Klägerin verpflichtet war, ihren gesamten Gewinn an die X-KG abzuführen. Die X-KG war insgesamt an neun Kapitalgesellschaften beteiligt; die X-KG und die neun Gesellschaften bildeten die X-Gruppe. Hauptgeschäftsführer der X-Gruppe waren im Streitjahr 2008 D, E und F, die u.a. auch Geschäftsführer der Klägerin und mindestens einer weiteren Tochterkapitalgesellschaft sowie Vorstand der Stiftung waren. Die Klägerin ging davon aus, dass zwischen ihr und der X-KG eine körperschaftsteuerliche Organschaft bestand, so dass die X-KG den Gewinn der Klägerin versteuern musste, nicht aber die Klägerin selbst. Das Finanzamt erkannte die Organschaft nicht an, weil es eine gewerbliche Tätigkeit der X-KG verneinte; es erfasste daher die Gewinnabführung der Klägerin an die X-KG als verdeckte Gewinnausschüttung.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die X-KG war Organträger, weil sie als geschäftsleitende Holding gewerblich tätig war. Wird die Holding nach außen erkennbar leitend tätig, nimmt sie am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teil und erfüllt damit auch das Merkmal einer gewerblichen Tätigkeit.
Die geschäftsleitende Tätigkeit ergibt sich im Streitfall daraus, dass sich die Geschäftsführer D, E und F alle 14 Tage zu Geschäftsführersitzungen trafen, dabei das Tagesgeschäft der Gesellschaften besprachen und auch konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Ertragslage diskutierten und beschlossen.
Für die gewerbliche Tätigkeit der X-KG ist nicht erforderlich, dass sie zusätzlich zur geschäftsleitenden Holdingtätigkeit noch konzernintern entgeltliche Dienstleistungen erbringt oder andere gewerbliche Aktivitäten ausübt.
Hinweise: Der BFH widerspricht mit seinem aktuellen Urteil der Auffassung des Bundesfinanzministeriums, das allein eine geschäftsleitende Holdingtätigkeit nicht für ausreichend hält, sondern noch weitere gewerbliche Tätigkeiten verlangt.
Ausdrücklich offen gelassen hat der BFH die Frage, ob eine geschäftsleitende Holding nur dann als gewerblich anzusehen ist, wenn sie an mindestens zwei Tochtergesellschaften beteiligt ist oder ob die Beteiligung an nur einer Tochtergesellschaft genügt. Diese Frage war im Streitfall nicht relevant, da die X-KG an insgesamt neun Tochtergesellschaften beteiligt war.
Quelle: BFH, Urteil vom 27.11.2024 – I R 23/21; NWB
Darlehensgewährung eines Gesellschafters an die vermögensverwaltende Personengesellschaft
Gewährt der Gesellschafter einer Personengesellschaft, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt und somit vermögensverwaltend tätig ist, der vermögensverwaltenden Personengesellschaft ein verzinsliches Darlehen, wird das Darlehen steuerlich nicht anerkannt, soweit der Gesellschafter beteiligt ist. In diesem Umfang sind auch die Zinsen, die die vermögensverwaltende Personengesellschaft an den Gesellschafter zahlt, nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar.
Hintergrund: Im Steuerrecht gibt es zwei verschiedene Gruppen von Einkunftsarten: zum einen die sog. Gewinneinkünfte, zu denen die „unternehmerischen“ Einkünfte wie z.B. aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit gehören, und zum anderen die sog. Überschusseinkünfte, zu denen z.B. Vermietungseinkünfte oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gehören. Diese Unterscheidung gilt auch für Personengesellschaften, so dass Personengesellschaften entweder Gewinneinkünfte oder Überschusseinkünfte erzielen können.
Sachverhalt: Klägerin war eine GmbH & Co. KG, die Vermietungseinkünfte erzielte und damit vermögensverwaltend tätig war. Eine sog. gewerbliche Prägung, die zu Gewinneinkünften (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) geführt hätte, lag nicht vor, da nicht nur die Komplementär-GmbH, sondern auch die Kommanditistin F zur Geschäftsführung befugt war. Die Beteiligungsquote der F betrug 100 %. F gewährte der Klägerin im Juni 2012 ein verzinsliches Darlehen. Die Klägerin zahlte hierfür im Jahr 2012 Zinsen und machte diese als Werbungskosten geltend, die das Finanzamt nicht anerkannte.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Das Darlehen war steuerlich nicht anzuerkennen, da die F als Darlehensgeberin zu 100 % an der Klägerin als Darlehensnehmerin beteiligt war.
Da die Klägerin Überschusseinkünfte erzielte, nämlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, galt für sie die sog. Bruchteilsbetrachtung, nach der die Wirtschaftsgüter der Klägerin den Gesellschaftern im Umfang ihrer Beteiligungsquote direkt zugerechnet werden. Da nur F am Vermögen der Klägerin beteiligt war, war ihr die Darlehensverbindlichkeit steuerlich zu 100 % zuzurechnen; zugleich war F aber auch Darlehensgeberin, so dass im Ergebnis Gläubiger und Schuldner ein und dieselbe Person waren, nämlich F.
Die von der Personengesellschaft gezahlten Darlehenszinsen wurden steuerlich damit als Zinsen angesehen, die von F als alleinige Gesellschafterin der Klägerin gezahlt werden, und zwar an F als Darlehensgeberin. Ein Werbungskostenabzug war somit nicht möglich. Die an F geflossenen Zinsen stellten ein sog. Ergebnisvorab der F dar, wurden also wie ein Anteil der F am Überschuss der Klägerin behandelt.
Hinweise: Wäre die F nur zu 40 % an der Klägerin beteiligt gewesen, wären die Zinsen, die die Klägerin an F gezahlt hat, zu 60 % als Werbungskosten abziehbar und zu 40 % - im Umfang der Beteiligungsquote der F – nicht abziehbar gewesen.
Wenn die Gläubigerstellung mit der Schuldnerstellung zusammenfällt, erlischt die Forderung und Verbindlichkeit durch sog. Konfusion. Eine Zinszahlung ist dann nicht mehr möglich. Dieses Ergebnis trat im Streitfall ein und beruhte darauf, dass die vermögensverwaltende (vermietende) Personengesellschaft aufgrund der sog. Bruchteilsbetrachtung als transparent behandelt wird. Dementsprechend werden auch Mietverträge zwischen einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern steuerlich nicht anerkannt, soweit der mietende Gesellschafter an der Personengesellschaft und damit am Grundstück beteiligt ist.
Das Ergebnis wäre anders ausgefallen, wenn die Klägerin Gewinneinkünfte erzielt hätte, z.B. aufgrund einer gewerblichen Prägung, wenn nur die Komplementär-GmbH zur Geschäftsführung berechtigt gewesen wäre. Die Personengesellschaft wäre steuerlich dann als Mitunternehmerschaft anzusehen gewesen, so dass die Bruchteilsbetrachtung durch die Regeln über die Mitunternehmerschaft verdrängt worden wäre. Rechtsbeziehungen zwischen der Mitunternehmerschaft und dem Mitunternehmer (Gesellschafter) würden dann anerkannt werden, so dass die Klägerin die Zinsen als Betriebsausgaben hätte abziehen können. Allerdings würden die Zinseinnahmen der F als sog. Sonderbetriebseinnahmen und damit den Gewinneinkünften zugerechnet werden. Die F müsste also gewerbliche Zinseinkünfte versteuern, so dass z. B. die Abgeltungsteuer von 25 % für sie nicht gelten würde.
Quelle: BFH, Urteil vom 27.11.2024 – I R 19/21; NWB
Höhe des verrechenbaren Verlustes bei einer KG nach Bildung eines Investitionsabzugsbetrags
Wird nach Bildung eines Investitionsabzugsbetrags die Investition durchgeführt und der Investitionsabzugsbetrag außerbilanziell hinzugerechnet, mindert diese außerbilanzielle Hinzurechnung nicht den verrechenbaren Verlust des Kommanditisten. Denn die außerbilanzielle Hinzurechnung wirkt sich nicht auf das Kapitalkonto des Kommanditisten aus, das für die Höhe des verrechenbaren Verlustes maßgeblich ist.
Hintergrund: Der Gesetzgeber schränkt den Verlustausgleich von Kommanditisten ein, da diese nur beschränkt in Höhe ihrer Einlage haften. Ein Verlustanteil aus der KG-Beteiligung ist mit anderen positiven Einkünften nur so lange uneingeschränkt ausgleichsfähig, wie das Kapitalkonto des Kommanditisten positiv ist. Soweit sein Kapitalkonto negativ ist oder durch den Verlustanteil negativ wird, ist der Verlustanteil grundsätzlich nur verrechenbar und kann nur mit künftigen Gewinnanteilen aus der KG verrechnet werden.
Unternehmer können unter bestimmten Voraussetzungen einen Investitionsabzugsbetrag für künftige Investitionen in Höhe von 50 % der künftigen Anschaffungskosten gewinnmindernd bilden. Wird die Investition dann durchgeführt, kann der Unternehmer den Investitionsabzugsbetrag wieder gewinnerhöhend hinzurechnen und anschließend eine Abschreibung in dieser Höhe auf das Wirtschaftsgut vornehmen. Im Ergebnis handelt es sich bei dem Investitionsabzugsbetrag also um eine vorgezogene hohe Abschreibung.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, deren alleiniger Kommanditist B war. Die Klägerin hatte im Jahr 2015 einen Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 16.000 € für die künftige Anschaffung eines Pkw gebildet, den sie im Streitjahr 2018 erwarb. Die Klägerin rechnete den Investitionsabzugsbetrag im Jahr 2018 außerbilanziell in Höhe von 16.000 € wieder hinzu und kürzte anschließend die Anschaffungskosten für den Pkw sowie für weitere angeschaffte Wirtschaftsgüter in Höhe von insgesamt 16.000 €. Für das Streitjahr 2018 ergab sich aus der Bilanz der Klägerin ein Verlust, der durch die außerbilanzielle Hinzurechnung um 16.000 € gemindert wurde. Bei der Berechnung des verrechenbaren Verlustes berücksichtigte das Finanzamt aber nicht die außerbilanzielle Hinzurechnung des Betrags von 16.000 €. Im weiteren Streitjahr 2019 geschah das Gleiche, diesmal aber aufgrund der Hinzurechnung eines im Jahr 2016 gebildeten Investitionsabzugsbetrags, der im Jahr 2019 nach Durchführung der Investition außerbilanziell hinzugerechnet wurde; auch hier berücksichtigte das Finanzamt die außerbilanzielle Hinzurechnung nicht bei der Ermittlung des verrechenbaren Verlustes.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
Zu Recht hat das Finanzamt die außerbilanzielle Hinzurechnung des Hinzurechnungsbetrags in den Streitjahren 2018 und 2019 nicht bei der Ermittlung des verrechenbaren Verlustes berücksichtigt. Die Hinzurechnung in Höhe der jeweiligen Investition minderte nicht die Höhe des verrechenbaren Verlustes.
Die Hinzurechnung hat sich nämlich weder in der Steuerbilanz noch beim steuerlichen Kapitalkonto des Kommanditisten B ausgewirkt, sondern ist nur außerbilanziell vorgenommen worden.
Durch den jeweiligen Hinzurechnungsbetrag ist der Kommanditist B auch nicht wirtschaftlich belastet worden, so dass unter diesem Gesichtspunkt eine Minderung des verrechenbaren Verlustes und damit eine Erhöhung des ausgleichsfähigen Verlustes gerechtfertigt wäre. Denn aufgrund der Hinzurechnung änderte sich weder der Haftungsumfang des Kommanditisten, noch erhöhte sich sein Ausfallrisiko.
Hinweise: Im Gegenzug wirkte sich aber auch die Bildung des Investitionsabzugsbetrags in den Jahren 2015 und 2016 nicht nachteilig auf die Höhe des verrechenbaren Verlustes des Kommanditisten aus. Denn auch der Investitionsabzugsbetrag wurde nur außerbilanziell erfasst, da er keine handels- oder steuerrechtliche Bilanzposition darstellt. Die Bildung bzw. Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags führt daher stets zu einem insoweit ausgleichs- und abzugsfähigen Verlust.
Auch wenn das Kapitalkonto negativ ist, kann der Verlust des Kommanditisten als ausgleichsfähig anerkannt werden – und nicht nur als verrechenbar –, soweit für den Kommanditisten nämlich eine Hafteinlage im Handelsregister eingetragen ist, die seine geleistete Einlage übersteigt. Der Kommanditist haftet in diesem Umfang nach außen und kann insoweit auch seinen Verlustanteil mit anderen positiven Einkünften ausgleichen.
Ein weiterer Streitpunkt im aktuellen Verfahren war eine „Einlage“ des Kommanditisten B auf einem neu eingerichteten Kapitalkonto III. Diese Einlage sollte nach den Vorstellungen des B sein Kapitalkonto und damit auch den ausgleichsfähigen Verlust erhöhen. Allerdings sah der BFH das Kapitalkonto III im konkreten Fall nicht als Kapitalkonto an, weil B frei über das Guthaben auf dem Kapitalkonto III verfügen konnte, während ein echtes Kapitalkonto einer gesamthänderischen Bindung unterliegt, z.B. durch Teilhabe an Verlusten oder durch Berücksichtigung bei der Berechnung des Abfindungsguthabens beim Ausscheiden des Gesellschafters; hierzu war im Gesellschaftsvertrag aber keine Regelung getroffen worden.
Quelle: BFH, Urteil vom 16.1.2025 – IV R 28/23; NWB
Körperschaftsteuerliche Organschaft mit atypisch stiller Beteiligung
Eine körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen einem Organträger und einer Organgesellschaft wird auch dann anerkannt, wenn der Organträger an der Organgesellschaft atypisch still beteiligt ist. Denn auch dann führt die Organgesellschaft ihren ganzen Gewinn an den Organträger ab.
Hintergrund: Bei einer körperschaftlichen Organschaft verpflichtet sich die Organgesellschaft (Tochtergesellschaft) in einem Gewinnabführungsvertrag, ihren ganzen Gewinn an den Organträger (Muttergesellschaft) abzuführen. Das Einkommen ist dann dem Organträger zuzurechnen und auch vom Organträger zu versteuern.
Bei einer atypisch stillen Beteiligung beteiligt sich ein Gesellschafter am Handelsgewerbe eines anderen, ohne nach außen in Erscheinung zu treten, also still. Die stille Gesellschaft ist atypisch, wenn der stille Gesellschafter auch an den Verlusten des Inhabers des Handelsgewerbes beteiligt ist. Der atypisch stille Gesellschafter wird dann steuerlich wie ein Mitunternehmer behandelt.
Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH; ihre Alleingesellschafterin war die X-GmbH & Co. KG. Die Klägerin und die X-GmbH & Co. KG schlossen im Jahr 1991 einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag, in dem sich die Klägerin zur Abführung ihres gesamten Gewinns an die X-GmbH & Co. KG verpflichtete. Im Jahr 1992 beteiligte sich die X-GmbH & Co. KG im Umfang von 10 % als atypisch stille Gesellschafterin an der Klägerin. Das Finanzamt erkannte die körperschaftsteuerliche Organschaft in den Streitjahren 2005 bis 2008 nicht an, weil die Klägerin aufgrund der atypisch stillen Beteiligung nicht ihren gesamten Gewinn an die X-GmbH & Co. KG abgeführt habe, sondern lediglich 90 %; die weiteren 10 % habe die X-GmbH & Co. KG als atypisch stille Gesellschafterin erhalten. Das Finanzamt erfasste die Ergebnisabführung von 90 % an die X-GmbH & Co. KG als verdeckte Gewinnausschüttung bei der Klägerin.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft waren in den Streitjahren 2005 bis 2008 erfüllt. Insbesondere hat die Klägerin ihren ganzen Gewinn an die X-GmbH & Co. KG abgeführt.
Die Frage, welcher Gewinn abzuführen ist, richtet sich nach dem Zivilrecht, weil das Steuerrecht hierauf verweist. Nach dem Zivilrecht, zu dem auch das Handelsrecht gehört, stellt der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters (X-GmbH & Co. KG) Aufwand der, der den Gewinn mindert. Dieser geminderte Gewinn ist somit der „ganze Gewinn“ und wird an den Organträger abgeführt.
Der Anteil der X-GmbH & Co. KG als (atypisch) stille Gesellschafterin in Höhe von 10 % war somit Aufwand der Klägerin und minderte ihren Gewinn. Der verbleibende Gewinn war folglich der "ganze Gewinn", den die Klägerin an die X-GmbH & Co. KG abführte. Auf den steuerrechtlich ermittelten Gewinn kam es somit nicht an.
Hinweise: Der BFH bejaht in seinem aktuellen Urteil die Frage, ob an einer Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestehen kann. Damit widerspricht er der Finanzverwaltung.
Die X-GmbH & Co. KG erhält nach dem Urteil 10 % des Gewinns als (atypisch) stille Gesellschafterin und die verbleibenden 90 % als Organträger; diese 90 % stellen den ganzen Gewinn der Klägerin dar, weil die weiteren 10 % als Anteil für die (atypisch) stille Gesellschafterin Aufwand waren und den Gewinn der Klägerin minderten.
Quelle: BFH, Urteil vom 11.12.2024 – I R 33/22; NWB
Freiberufliche Tätigkeit einer Ärzte-Partnerschaft
Eine zahnärztlich tätige Partnerschaft, an der sieben Zahnärzte beteiligt sind, erzielt freiberufliche Einkünfte, auch wenn sich einer der Zahnärzte ganz überwiegend um die kaufmännische Führung der Partnerschaft kümmert und nur äußerst geringfügig zahnärztlich tätig wird.
Hintergrund: Freiberufliche Einkünfte unterliegen nicht der Gewerbesteuer. Zu den Freiberuflern gehören insbesondere Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure und Architekten.
Sachverhalt: M war Zahnarzt und Partner einer zahnärztlich tätigen Partnerschaftsgesellschaft, die aus insgesamt sieben Zahnärzten bestand. M nahm vor allem die kaufmännischen Angelegenheiten der Partnerschaft wahr und kümmerte sich um die Instandhaltung der medizinischen Geräte. Im Streitjahr 2010 beriet M lediglich fünf Patienten; am Behandlungsstuhl wurde er nicht tätig. Das Finanzamt stellte den Gewinn der Partnerschaft als gewerblich fest und begründete dies damit, dass M nicht freiberuflich tätig geworden sei.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage der Partnerschaft statt:
Eine Personengesellschaft ist freiberuflich tätig, wenn sämtliche Gesellschafter Freiberufler sind, also die persönliche Berufsqualifikation eines freien Berufs erfüllen, und eine freiberufliche Tätigkeit tatsächlich ausüben.
Dies setzt nicht voraus, dass jeder Gesellschafter der Partnerschaft in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Vielmehr genügt es, wenn ein Gesellschafter in Form der Mit- und Zusammenarbeit mit seinen Kollegen freiberuflich tätig wird. Bei einem größeren Zusammenschluss von Ärzten gehört auch die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft zur freiberuflichen Tätigkeit. Daher kann auch ein überwiegend kaufmännisch tätiger Zahnarzt freiberuflich tätig sein.
Weitere Voraussetzung ist aber, dass jeder Gesellschafter zumindest geringfügig zahnärztlich tätig wird. Diese Voraussetzung erfüllte M, weil er fünf Patienten im Streitjahr beriet.
Hinweise: Da auch die sechs Kollegen des M freiberuflich tätig waren, waren an der Partnerschaft nur Freiberufler beteiligt und auch freiberuflich tätig. Damit erzielt die Partnerschaft selbständige Einkünfte, nicht aber Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sodass ein Gewerbesteuermessbescheid gegenüber der Partnerschaft nicht ergehen kann.
In der Praxis sollte darauf geachtet werden, dass jeder Gesellschafter auch freiberuflich aktiv wird, also z.B. zumindest einige Patienten behandelt, um den Anforderungen einer „zumindest äußerst geringfügigen“ freiberuflichen Tätigkeit zu genügen. Der M hatte sich auf eine Beratung beschränkt und keinen einzigen Patienten zahnärztlich behandelt. Dem BFH hat dies zwar genügt; es ist aber nicht auszuschließen, dass Finanzgerichte den Begriff der „äußerst geringfügigen“ freiberuflichen Tätigkeit strenger auslegen und eine ärztliche Behandlung verlangen. In jedem Fall sollte die „äußerst geringfügige“ freiberufliche Tätigkeit dokumentiert werden.
Quelle: BFH, Urteil vom 4.2.2025 - VIII R 4/22; NWB
Grunderwerbsteuer: Konzernklausel bei Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf neu gegründete GmbH
Die Ausgliederung eines Einzelunternehmens, zu dem ein Grundstück gehört, auf eine neu gegründete GmbH ist nach der sog. Konzernklausel grunderwerbsteuerfrei. Es ist unschädlich, dass der Einzelunternehmer die gesetzlich geforderte fünfjährige Vorhaltensfrist umwandlungsbedingt nicht einhalten konnte; allerdings muss er nach der Ausgliederung noch fünf Jahre zu mindestens 95 % an der GmbH beteiligt sein.
Hintergrund: Eine Umwandlung eines Unternehmens, das Grundbesitz hält, kann grundsätzlich Grunderwerbsteuer auslösen. Nach der sog. Konzernklausel sind aber bestimmte Umwandlungsvorgänge innerhalb eines Konzerns grunderwerbsteuerfrei. Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist u.a., dass die Umwandlung konzernintern erfolgt und fünf Jahre vor der Umwandlung und fünf Jahre nach der Umwandlung Beteiligungsverhältnisse von mindestens 95 % zwischen dem beherrschenden Unternehmen und den abhängigen Unternehmen bestehen.
Sachverhalt: Y war Einzelunternehmerin; zu ihrem Einzelunternehmen gehörte ein Grundstück. Mit notariellem Vertrag aus dem Jahr 2018 gliederte Y ihr Einzelunternehmen samt Grundstück auf eine neu gegründete GmbH, die Klägerin, aus. Y war Alleingesellschafterin der Klägerin. Das Finanzamt setzte Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin, die nun Eigentümerin des Grundstücks geworden war, fest.
Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:
Zwar war die Ausgliederung des Einzelunternehmens, zu dem ein Grundstück gehörte, auf die Klägerin grunderwerbsteuerbar, da die Klägerin hierdurch Eigentümerin des Grundstücks geworden ist.
Diese Eigentumsübergang war aber nach der sog. Konzernklausel grunderwerbsteuerfrei. Danach sind bestimmte Umwandlungen grunderwerbsteuerfrei; hierzu gehört auch die Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft.
Unschädlich ist, dass im Streitfall die fünfjährige Vorhaltensfrist nicht eingehalten werden konnte, d.h. Y nicht in den fünf Jahren zuvor zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt war. Bei einer Ausgliederung eines Einzelunternehmens zur Neugründung einer Kapitalgesellschaft wird die Kapitalgesellschaft erst im Rahmen der Ausgliederung gegründet. Aus Rechtsgründen konnte Y also nicht vor dem Umwandlungsvorgang fünf Jahre lang an der Klägerin beteiligt sein.
Hinweise: Allerdings kann und muss Y die fünfjährige Nachhaltensfrist einhalten und zu mindestens 95 % an der Klägerin beteiligt bleiben. Anderenfalls wird die Grunderwerbsteuerbefreiung rückgängig gemacht.
Der BFH setzt seine bisherige Rechtsprechung fort und legt die Konzernklausel zugunsten der Steuerpflichtigen aus. Die fünfjährige Vorhaltens- oder auch die fünfjährige Nachhaltensfrist müssen daher nicht eingehalten werden, wenn dies umwandlungsbedingt schlichtweg nicht möglich ist, weil z.B. eines der Konzernunternehmen umwandlungsbedingt untergeht (etwa bei einer Verschmelzung) oder durch die Umwandlung – wie im Streitfall – erst entsteht.
Quelle: BFH, Urteil vom 25.9.2024 - II R 2/22; NWB