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Änderung eines Steuerbescheids aufgrund nachträglich übermittelter Rentendaten

26.08.2025 10:15

Ein Einkommensteuerbescheid, in dem die Renteneinkünfte entgegen der Steuererklärung nicht übernommen worden sind, kann geändert werden, wenn der Rentenversicherungsträger die Rentenbezugsmitteilung an das Finanzamt übermittelt. Der Änderung steht nicht entgegen, dass der Steuerpflichtige die Renteneinkünfte in seiner Einkommensteuererklärung angegeben hatte und dass die Rentenbezugsmitteilung erst nach Erlass des erstmaligen Einkommensteuerbescheids an das Finanzamt übermittelt wird.

Hintergrund: Nach dem Gesetz ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit von einer mitteilungspflichtigen Stelle wie z.B. der Rentenversicherung an das Finanzamt übermittelte Daten nicht oder aber nicht zutreffend bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt wurden.

Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute und gaben für 2017 ihre Einkommensteuererklärung beim Finanzamt ab. In der Erklärung gaben sie auch die Renteneinkünfte des Klägers in zutreffender Höhe an. Das Finanzamt erließ am 2.4.2019 den Steuerbescheid für 2017, berücksichtigte aber nicht die Renteneinkünfte des Klägers. Der Bescheid erging nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Mai 2019 übermittelte der Rentenversicherungsträger die Rentenbezugsmitteilung für den Kläger an das Finanzamt. Das Finanzamt änderte daraufhin den Steuerbescheid und setzte nun die Renteneinkünfte des Klägers als sonstige Einkünfte an. Hiergegen wehrten sich die Kläger.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Das Finanzamt war zur Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 2.4.2019 verpflichtet; denn in diesem Bescheid waren übermittelte Daten, nämlich die Daten aus der Rentenbezugsmitteilung, nicht berücksichtigt.

  • Es kommt nicht auf den Grund für die Nichtberücksichtigung an. Insbesondere ist unbeachtlich, ob das Finanzamt oder der Steuerpflichtige einen Fehler begangen hat.

  • Unbeachtlich ist ferner, wann die Daten, die berücksichtigt werden sollen, an das Finanzamt übermittelt worden sind. Die Änderungsvorschrift verlangt also nicht, dass die Rentenbezugsmitteilung bereits bei Erlass des erstmaligen Steuerbescheids vom 2.4.2019 vorgelegen haben muss. Im Gegensatz zu anderen Korrekturvorschriften enthält die hier streitige Änderungsvorschrift keinen Zeitpunkt bzw. keine zeitliche Reihenfolge, die eingehalten werden muss, um die Änderung vorzunehmen.

  • Die Änderungsvorschrift greift somit auch dann, wenn die Daten erst nach dem Erlass des Erstbescheids vom 2.4.2019 übermittelt werden und wenn sich der Inhalt der Rentenbezugsmitteilung bereits aus den Angaben des Steuerpflichtigen in der Steuererklärung ergab.

Hinweise: Das Urteil war für die Kläger nachteilig, weil sie nicht darauf vertrauen konnten, dass es bei der Nichtbesteuerung der Renteneinkünfte des Klägers bleibt. Allerdings kann sich das BFH-Urteil auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen auswirken, wenn die übermittelten Daten für den Steuerpflichtigen vorteilhaft sind, z.B. im Fall von Krankenversicherungsbeiträgen, die als Sonderausgaben abziehbar sind und die von der Krankenversicherung dem Finanzamt übermittelt werden.

Zu beachten ist, dass das Gesetz für die Änderungsmöglichkeit eine lange Festsetzungsverjährung vorsieht, so dass sich insgesamt ein möglicher Änderungszeitraum von neun Jahren nach Ablauf des Veranlagungszeitraums ergibt.

Quelle: BFH, Urteil vom 27.11.2024 – X R 25/22; NWB


Kein vollständiger Erlass von Säumniszuschlägen bei Überschuldung

22.08.2025 09:16

Bei einer Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Steuerpflichtigen sind Säumniszuschläge, die wegen der verspäteten Zahlung von Steuern entstanden sind, nicht vollständig zu erlassen. Vielmehr kommt in der Regel nur ein Erlass der Hälfte der Säumniszuschläge in Betracht.

Hintergrund: Säumniszuschläge werden kraft Gesetzes verwirkt, wenn die Steuer erst nach Fälligkeit gezahlt wird. Pro Monat der Säumnis entstehen 1 % des offenen Steuerbetrags.

Sachverhalt: Der Kläger war seit 2018 Insolvenzverwalter über das Vermögen des A, der seit 2007 zahlungsunfähig war. Das Finanzamt hatte gegen A Forderungen in Höhe von insgesamt ca. 3,5 Mio. €; hiervon entfielen ca. 1,5 Mio. € auf Säumniszuschläge für Steuern, die zwischen Dezember 2007 und 2011 fällig geworden waren. Der Wert der Insolvenzmasse belief sich auf ca. 50.000 €. Im Juli 2021 beantragte der Kläger den Erlass der gesamten Säumniszuschläge; das Finanzamt erließ jedoch nur die Hälfte der Säumniszuschläge, also ca. 750.000 €.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage, die auf Erlass der verbleibenden Säumniszuschläge gerichtet war, ab:

  • Säumniszuschläge sind zum einen Druckmittel, um den Steuerpflichtigen zur pünktlichen Zahlung zu bewegen. Zum anderen stellen sie aber auch eine Gegenleistung für das Hinausschieben der Zahlung dar, und sie dienen auch der Abgeltung der Verwaltungskosten, die auf Grund der nicht pünktlichen Zahlung entstehen.

  • Ist der Steuerpflichtige überschuldet und zahlungsunfähig, geht die Funktion als Druckmittel verloren; denn der Steuerpflichtige kann gar nicht zahlen. Daher ist ein teilweiser Erlass der Säumniszuschläge geboten. Nach der Rechtsprechung des BFH kommt insoweit ein hälftiger Erlass der Säumniszuschläge in Betracht.

  • Ein darüber hinaus gehender Erlass ist nicht geboten. Denn die beiden weiteren Funktionen des Säumniszuschlags bleiben im Fall der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit erhalten, nämlich die Funktion als Gegenleistung sowie als Ersatz von Verwaltungskosten. Zwar lässt sich der genaue Anteil der Säumniszuschläge, der auf die Gegenleistung und auf den Verwaltungskostenersatz entfällt, nicht beziffern; es bleibt aber bei den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung, dass im Fall der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit nur die Hälfte der Säumniszuschläge zu erlassen ist.

  • Der vom Kläger angestrebte vollständige Erlass wäre nur dann möglich, wenn es zusätzliche persönliche oder sachliche Billigkeitsgründe gäbe. Andere sachliche Billigkeitsgründe sind nicht erkennbar. Und ein Erlass wegen persönlicher Billigkeitsgründe ist ausgeschlossen, wenn sich der Erlass nicht zugunsten des Steuerpflichtigen, sondern nur zugunsten der anderen Insolvenzgläubiger auswirken würde. Dies wäre hier der Fall, weil von einem weitergehenden Erlass nur die übrigen Insolvenzgläubiger profitieren würden; denn es gab Insolvenzforderungen der übrigen Gläubiger in Höhe von ca. 2,2 Mio. €, während die Insolvenzmasse lediglich einen Wert in Höhe von ca. 50.000 € aufwies.

Hinweise: Der BFH hat in einer aktuellen Entscheidung, die die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge betraf, offen gelassen, in welchem prozentualen Verhältnis die drei Zwecke des Säumniszuschlags zueinander stehen (Druckmittel, Gegenleistung, Verwaltungskostenersatz). Der Kläger hatte daher gehofft, dass das Finanzgericht den Anteil des Druckmittels höher als 50 % ansetzt und insoweit einen Erlass ausspricht. Das Finanzgericht hält jedoch an der bisherigen Rechtsprechung, die den Erlass von Säumniszuschlägen betrifft, fest und sieht deshalb nur einen hälftigen Erlass als geboten an.

Der BFH vertritt bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge die Auffassung, dass sie verfassungskonform sind. Im Gegensatz zu Nachzahlungszinsen, die nur 1,8 % pro Jahr betragen, belaufen sich Säumniszuschläge auf immerhin 12 % pro Jahr.

Quelle: Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 31.3.2025 – 3 K 161/23; NWB


Kein Erlass von Nachzahlungszinsen bei Verzögerung der Steuerfestsetzung

20.08.2025 10:36

Kommt es deshalb zu einer Festsetzung von Nachzahlungszinsen bei der Einkommensteuer, weil ein für die Einkommensteuerfestsetzung benötigter Grundlagenbescheid wegen eines überlangen Erbscheinverfahrens erst nach vielen Jahren erlassen wird, sind die Nachzahlungszinsen nicht wegen Unbilligkeit zu erlassen. Denn der Steuerpflichtige hatte gleichwohl einen Liquiditäts- und Zinsvorteil, der durch die Nachzahlungszinsen abgeschöpft wird.

Hintergrund: Nachzahlungszinsen werden festgesetzt, wenn die Steuer erst nach Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Veranlagungszeitraums festgesetzt wird und sich aus der Festsetzung eine Nachzahlung ergibt; diese Frist war in den letzten Jahren coronabedingt verlängert worden.

Sachverhalt: Der Kläger wurde im Oktober 2012 Miterbe des verstorbenen E. Es kam in der Folgezeit zu langjährigen Streitigkeiten um die Wirksamkeit des Testaments des E und um die Erbfolge. Erst im August 2018 wurde der Erbschein ausgestellt, in dem der Kläger als Miterbe genannt wurde. Die Erbengemeinschaft gab nun Feststellungserklärungen für die Jahre 2012 bis 2017 ab, die im August 2019 zu entsprechenden Feststellungsbescheiden führten, in denen die Einkünfte der Erbengemeinschaft festgestellt wurden. Das für den Kläger zuständige Finanzamt erließ aufgrund der Feststellungsbescheide geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2017, die überwiegend zu Steuernachzahlungen führten. In den Einkommensteuerbescheiden wurden ca. 30.000 € Nachzahlungszinsen festgesetzt. Der Kläger beantragte den Erlass der Nachzahlungszinsen mit der Begründung, dass ihn an der verspäteten Festsetzung der Einkommensteuer kein Verschulden treffe. Das Finanzamt lehnte den Erlassantrag ab.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Ein Erlass setzt eine Unbilligkeit aus persönlichen oder aus sachlichen Gründen voraus. Im Streitfall kam nur eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen in Betracht. Eine sachliche Unbilligkeit ist gegeben, wenn die Geltendmachung des Anspruchs des Finanzamts mit dem Gesetzeszweck nicht zu rechtfertigen ist und den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft.

  • Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt. Zwar kam es ohne Verschulden des Klägers zu verspäteten geänderten Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2012 bis 2017, die zu Nachzahlungen führten. Der Kläger hat hierdurch jedoch einen Liquiditäts- bzw. Zinsvorteil erlangt.

  • Der Kläger hätte die verspätete Festsetzung grundsätzlich dadurch verhindern können, dass er seine zu erwartenden Beteiligungseinkünfte aus der Erbengemeinschaft schätzt und in den Einkommensteuererklärungen angibt. Dies hätte dann zu einer zügigen Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2012 bis 2017 geführt, weil das Finanzamt die zu erwartenden Beteiligungseinkünfte schon vor dem Erlass der Feststellungsbescheide im Schätzungswege hätte ansetzen können.

  • Sofern dem Kläger eine sachgerechte Schätzung nicht möglich gewesen sein sollte, würde dies keinen Erlass rechtfertigen. Denn der Gesetzgeber durfte im Wege der Typisierung davon ausgehen, dass Feststellungsbescheide grundsätzlich frühzeitig ergehen.

Hinweise: Anders wäre die Rechtslage gewesen, wenn es sich bei dem erteilten Erbschein um ein sog. rückwirkendes Ereignis gehandelt hätte. In diesem Fall hätte der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Jahres begonnen, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Da der Erbschein erst im Jahr 2018 ausgestellt worden ist, hätte der Zinslauf also erst am 1.4.2020 begonnen. Dies hätte zu einem Wegfall der Nachzahlungszinsen geführt, so dass ein Erlassantrag nicht nötig geworden wäre.

Die Entscheidung, ob die Ausstellung des Erbscheins ein rückwirkendes Ereignis ist, hätte aber im Verfahren über die Feststellungsbescheide für die Erbengemeinschaft getroffen werden müssen, ggf. durch den Erlass eines sog. Ergänzungsbescheids. Der BFH lässt zwar offen, ob die Ausstellung des Erbscheins ein rückwirkendes Ereignis ist, deutet aber an, dass kein rückwirkendes Ereignis vorliegt, weil die Miterbenstellung nicht vom Erbschein abhängig ist, sondern sich danach richtet, wer tatsächlich Erbe ist; der Erbschein begründet also nur eine starke Vermutung, bindet das Finanzamt aber nicht.

Quelle: BFH, Urteil vom 9.4.2025 – X R 12/21; NWB


Aufwendungen für Bestattungsvorsorge nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar

18.08.2025 11:31

Die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine eigene künftige Bestattung sind nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar. Denn es fehlt für den Abschluss eines sog. Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrags an der Außergewöhnlichkeit sowie an der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen.

Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen. Typische Beispiele hierfür sind Krankheitskosten oder Wiederbeschaffungskosten nach dem Untergang des Hausrats durch Feuer oder Hochwasser.

Sachverhalt: Der Kläger schloss im Jahr 2019 einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag ab und zahlte 6.500 € für seine künftige Bestattung. Er machte diesen Betrag als außergewöhnliche Belastungen in seiner Einkommensteuererklärung 2019 geltend. Das Finanzamt erkannte die außergewöhnlichen Belastungen nicht an.

Entscheidung: Das Finanzgericht Münster wies die Klage ab:

  • Bei den Kosten für den Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag handelt es sich um Aufwendungen für die eigene Bestattung. Die Kosten für die eigene Bestattung sind weder außergewöhnlich noch zwangsläufig.

  • Aufwendungen für die eigene Bestattung sind nicht außergewöhnlich, da jeder Mensch eines Tages sterben wird und bestattet werden muss.

  • Die Aufwendungen sind auch nicht zwangsläufig, da der Kläger sie freiwillig übernommen hat. Für diese Übernahme gab es keine rechtliche, tatsächliche oder sittliche Pflicht. Insbesondere gab es keine sittliche Pflicht, seinen Erben die künftigen Bestattungskosten zu ersparen.

Hinweise: Anders ist es, wenn der Steuerpflichtige die Bestattungskosten für einen Angehörigen übernehmen muss. Diese Aufwendungen sind regelmäßig als außer-gewöhnliche Belastungen absetzbar, wenn sie höher sind als der Nachlass, den der Steuerpflichtige von dem verstorbenen Angehörigen erhält. Leistungen aus einer Sterbegeldversicherung oder aus einer Lebensversicherung, die dem Steuerpflichtigen außerhalb des Nachlasses zufließen, sind auf die als außergewöhnliche Belastung anzuerkennenden Kosten anzurechnen. Abzugsfähig sind nur solche Aufwendungen, die unmittelbar mit der eigentlichen Bestattung zusammenhängen. Nicht hierzu gehören Aufwendungen für Trauerkleidung, die Bewirtung von Trauergästen oder Reisekosten für die Teilnahme an der Bestattung.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 23.6.2025 – 10 K 1483/24 E; NWB


Kein Anspruch auf Einsicht in Unterlagen der Richtsatzsammlung

14.08.2025 07:30

Ein Steuerpflichtiger hat keinen Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen für die amtliche Richtsatzsammlung, z.B. in die Protokolle der vertraulichen Beratungen der Finanzverwaltung bei der Erstellung der Richtsatzsammlung. Ein derartiger Anspruch, der sich aus den Informationsfreiheitsgesetzen der Bundesländer ergeben könnte, wird durch ein Bundesgesetz ausgeschlossen, wonach die Vertraulichkeit der Sitzung zu wahren ist, wenn nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde.

Hintergrund: In den Bundesländern gelten sog. Informationsfreiheitsgesetze, die den Bürgern und insbesondere Journalisten grundsätzlich die Möglichkeit geben, in behördliche Unterlagen Einsicht zu nehmen. Im Steuerrecht gibt es eine Regelung, nach der das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Bundesländer einheitliche Verwaltungsgrundsätze bestimmen kann. Die Vertraulichkeit der entsprechenden Sitzungen ist jedoch zu wahren, wenn nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde.

Sachverhalt: Der Kläger beantragte beim Finanzministerium Mecklenburg-Vorpommern eine Auskunft zur Richtsatzsammlung. Er wollte wissen, bei wie vielen Betrieben in Mecklenburg-Vorpommern im Zeitraum 2016 bis 2020 eine Außenprüfung mit dem Ziel durchgeführt wurde, die Prüfungsdaten in die Richtsatzsammlung einfließen zu lassen. Ferner sollte das Finanzministerium Auskunft erteilen, nach welchen Kriterien die Betriebe ausgewählt werden und ob es hierfür Vorgaben gibt. Der Kläger wollte außerdem wissen, ob die Ergebnisse einer Außenprüfung auch dann in die Richtsatzsammlung eingehen, wenn die Ergebnisse auf einer Schätzung beruhen. Das Finanzministerium beantwortete die Anfrage nur mit allgemeinen Auskünften über die Entstehung, Bekanntgabe und Anwendung der Richtsatzsammlung.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die auf weitergehende Auskunft gerichtete Klage ab:

  • Zwar sehen die Informationsfreiheitsgesetze der einzelnen Bundesländer wie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern einen grundsätzlichen Anspruch des Bürgers auf Auskunft über den Inhalt von Behördenakten vor. Dieser Anspruch wird im Steuerrecht allerdings durch eine spezielle Regelung des Bundesgesetzgebers ausgeschlossen.

  • Nach dieser Regelung kann das BMF mit Zustimmung der obersten Finanzbehörden der Bundesländer einheitliche Verwaltungsgrundsätze, zu denen auch die sog. Richtsatzsammlung gehört, bestimmen. Jedoch ist die Vertraulichkeit der entsprechenden Sitzungen zu wahren, sofern nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde.

  • Die Regelung soll einen freien, vertrauensvollen Austausch aller beteiligten Finanzbehörden ermöglichen, die an der Erstellung der Richtsatzsammlung mitwirken. Die Vertraulichkeit wäre nicht gewährleistet, wenn das BMF anschließend Einsicht in die entsprechenden Unterlagen gewähren müsste.

Hinweise: Die Richtsatzsammlung wird für Hinzuschätzungen verwendet. Sie enthält statistische Kennzahlen der einzelnen Branchen (z.B. Restaurants) zum Rohgewinnaufschlagsatz, zum Rohgewinn oder auch zum Reingewinn.

Auch wenn der Kläger keine detaillierte Auskunft erhielt, wird sein Rechtsschutz, der verfassungsrechtlich geschützt ist, nicht eingeschränkt. Denn der Kläger kann gegen die Änderungsbescheide, die auf Grund der Außenprüfung ergehen und in denen die Ergebnisse der Richtsatzsammlung verwertet wurden, Einspruch einlegen und klagen.

Eine Auskunft, bei der die Unterlagen teilweise geschwärzt werden, kam nicht in Betracht, da der Grundsatz der Vertraulichkeit umfassend gilt, so dass eine nur zu Teilen gewährte Auskunft nicht zulässig ist.

Quelle: BFH, Urteil vom 9.5.2025 – IX R 1/24; NWB


Schädliche Verwendung eines Altersvorsorgevertrags

05.08.2025 07:59

Die Verwendung des Kapitals aus einem Altersvorsorgevertrag vor Beginn der Auszahlungsphase ist nicht begünstigt, wenn mit dem Kapital ein Immobiliendarlehen des Ehegatten getilgt werden soll. Dies gilt auch dann, wenn das Immobiliendarlehen des Ehegatten zur Finanzierung des von beiden Ehegatten selbst genutzten Familienheims aufgenommen worden war.

Hintergrund: Der Gesetzgeber fördert den Aufbau eines kapitalgedeckten (privaten) Altersvorsorgevermögens, z.B. in Gestalt der sog. Riester-Rente. Bis zum Beginn der Auszahlungsphase darf das bis dahin angesparte Kapital aber nur unter bestimmten Voraussetzungen und nur für bestimmte Zwecke verwendet werden, z.B. unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens (sog. Wohn-Riester).

Sachverhalt: Die Klägerin lebte mit ihrem Ehemann in einem Einfamilienhaus, das ihnen zu jeweils 50 Prozent gehörte. Die Immobilie war mit einem Darlehen finanziert worden, das der Ehemann 1998 aufgenommen hatte. Die Klägerin hatte sich für das Darlehen verbürgt, war jedoch selbst nicht Darlehensnehmerin. Die Klägerin hatte einen Altersvorsorgevertrag (sog. Riester-Vertrag) abgeschlossen und beantragte im Jahr 2020 die Entnahme von Kapital aus ihrem Riester-Vertrag zur Tilgung des vom Ehemann aufgenommenen Immobilien-Darlehens. Diesen Antrag lehnte die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen ab.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Die Voraussetzungen für eine Entnahme von Kapital aus dem Riester-Vertrag vor Beginn der Auszahlungsphase lagen nicht vor. Denn die Klägerin wollte nicht ein eigenes Darlehen tilgen, sondern das Darlehen ihres Ehemannes. Zulässig ist aber nur die Entnahme von Kapital zur Tilgung eines eigenen Darlehens oder aber für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung.

  • Zwar ist der Gesetzeswortlaut nicht eindeutig, weil das Gesetz nur von der Tilgung eines Darlehens spricht, nicht aber ausdrücklich verlangt, dass der Zulagenberechtigte das Darlehen selbst aufgenommen hat.

  • Im Bereich der Altersvorsorgezulage wird allerdings zwischen dem unmittelbaren Zulagenberechtigten und dem mittelbaren Zulagenberechtigten unterschieden. Die Klägerin als unmittelbare Zulagenberechtigte darf das Kapital daher nur für ihre eigenen Zwecke verwenden, nicht jedoch für Zwecke ihres Ehemannes, der nur mittelbar zulagenberechtigt ist. Jeder Ehegatte bleibt also allein Träger der Rechte und Pflichten, die sich aus seinem Altersvorsorgevertrag ergeben.

  • Die Klägerin hätte daher das Kapital zwar entnehmen können, um ihr eigenes Darlehen zu tilgen, aber sie durfte das Kapital nicht entnehmen, um damit das Darlehen ihres Ehemannes zu tilgen.

Hinweise: Die vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit, ein Darlehen abzulösen, mit dem das Wohneigentum finanziert wird, soll einen Beitrag zum „mietfreien Wohnen im Alter“ leisten. Dieser Zweck wird nach der aktuellen Entscheidung aber nur erreicht, wenn es sich um die Tilgung eines eigenen Darlehens des Zulageberechtigten handelt. Die Entschuldung eines Dritten wird vom Gesetzeszweck nicht gedeckt. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Ehegatten handelt, die einkommensteuerlich immerhin zusammenveranlagt werden.

Es genügte nicht, dass sich die Klägerin für das Darlehen ihres Ehemannes verbürgt hatte. Denn trotz der Bürgschaft blieb es eine Schuld des Ehemannes und war keine Darlehensschuld der Klägerin.

Die Klägerin wurde im Rahmen einer Anschlussfinanzierung im Mai 2021 als Darlehensnehmerin mit in die Darlehensverträge aufgenommen. Auch dies ermöglichte keine unschädliche Entnahme des Kapitals. Denn die Anschlussfinanzierung diente nicht der Anschaffung oder Herstellung einer begünstigten Wohnung.

Quelle: BFH, Urteil vom 2.4.2025 - X R 6/22; NWB


Zahlung einer Steuerschuld durch einen Dritten und Anfechtung

28.07.2025 08:01

Bezahlt ein Dritter die Steuerschuld eines Steuerpflichtigen, kann der Dritte geltend machen, dass er durch Drohung des Steuerpflichtigen zu der Zahlung an das Finanzamt gezwungen worden sei. Dies führt dazu, dass die Tilgungsbestimmung des Dritten, nämlich die Angabe, die Steuerschuld des Steuerpflichtigen zu tilgen, rückwirkend als nichtig anzusehen ist, so dass der Dritte einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt haben kann.

Hintergrund: Wird eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt, hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach dem Gesetz einen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt. Damit ist nicht der Leistende gemeint, der gezahlt hat, sondern der Steuerpflichtige, dessen Steuerschuld beglichen werden sollte.

Sachverhalt: Der X schuldete dem Finanzamt Geld. Die Klägerin arbeitete im Steuerbüro des X. Am 24.2.2021 überwies die Klägerin Geld an das Finanzamt und gab als Verwendungszweck die Steuernummer und die Steuerschuld des X an. Das Finanzamt sah damit die Steuerschuld des X als getilgt an. Am 4.6.2021 beantragte die Klägerin beim Finanzamt die Erstattung des von ihr überwiesenen Betrags und machte geltend, dass sie sich bei der Überweisung geirrt habe. Das Finanzamt lehnte ihren Erstattungsantrag mit der Begründung ab, dass nur X erstattungsberechtigt sei. Am 18.6.2021 focht die Klägerin ihre Zahlung wegen Irrtums an. Am 22.12.2021 erklärte die Klägerin, dass sie von X erpresst worden sei und daher vorsorglich jede Zahlung angefochten habe. Das Finanzamt lehnte auch weiterhin eine Erstattung ab.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt einen Erstattungsanspruch der Klägerin für möglich und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Eine Steuerschuld kann auch durch einen Dritten bezahlt werden. Zahlt der Dritte ohne rechtlichen Grund, z.B. weil die Steuerschuld nachträglich entfällt, steht der Erstattungsanspruch nach dem Gesetz aber nicht dem Dritten, sondern dem Steuerpflichtigen zu. Dem Finanzamt soll nämlich nicht zugemutet werden, im konkreten Fall zu prüfen, ob der Dritte oder der Steuerpflichtige im Innenverhältnis einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Erstattung der Zahlung hat.

  • Allerdings kann der Dritte, der gezahlt hat, seine sog. Tilgungsbestimmung, also den Verwendungszweck, anfechten und anschließend sein Bestimmungsrecht neu ausüben. Die Anfechtungsmöglichkeit steht also nicht nur dem Steuerpflichtigen zu. Bei einer erfolgreichen Anfechtung wird die Tilgungsbestimmung rückwirkend nichtig. Daher kann der Dritte nach erfolgreicher Anfechtung seine Tilgungsbestimmung neu ausüben und z.B. bestimmen, dass nun seine eigene Steuerschuld getilgt werden soll.

  • Bei einer Anfechtung wegen einer Drohung oder Täuschung hat der Dritte ausnahmsweise einen eigenen Erstattungsanspruch. Denn in diesem Fall fehlte bei der Zahlung eine freie Willensbildung des Dritten; die freie Willensbildung (privatautonome Willensbildungsfreiheit) hat eine größere Bedeutung als das Bedürfnis der Finanzverwaltung, keine eigene Prüfung der zivilrechtlichen Beziehungen zwischen dem Dritten, der gezahlt hat, und dem Steuerpflichtigen vorzunehmen.

  • Das Finanzgericht muss nun aufklären, ob die Klägerin aufgrund einer Drohung des X dessen Steuerschuld bezahlt hat. Die Beweislast hierfür liegt bei der Klägerin. Sie muss unter anderem darlegen, weshalb sie am 4.6.2021 zunächst nur einen Irrtum geltend gemacht, ohne nähere Ausführungen zu dem Irrtum zu machen, und erst im Dezember 2021 eine Drohung des X behauptet hat.

Hinweise: Bei einer Anfechtung wegen Drohung kommt es nicht darauf an, ob das Finanzamt Kenntnis von der Drohung hatte oder die Drohung hätte kennen müssen. Anders ist dies bei einer Anfechtung wegen Täuschung.

Die Anfechtung wegen Täuschung oder wegen Drohung ist im Zivilrecht geregelt. Für die Anfechtung gilt eine einjährige Frist, die im Streitfall eingehalten worden sein dürfte; denn die Zahlung ist am 24.2.2021 und die Anfechtung wegen Drohung am 21.12.2021 erfolgt.

Quelle: BFH, Urteil vom 19.3.2025 – X R 20/23; NWB


Auskunftsanspruch nach Datenschutzgrundsätzen

24.07.2025 09:32

Lehnt das Finanzamt einen Antrag des Steuerpflichtigen auf Erteilung einer Auskunft ab, welche Daten das Finanzamt über ihn gespeichert hat, kann sich der Steuerpflichtige hiergegen vor Gericht wehren. Er muss die Klage aber innerhalb der Klagefrist erheben.

Hintergrund: Nach den Regelungen des Datenschutzes hat ein Steuerpflichtiger das Recht, vom Finanzamt Auskunft darüber zu verlangen, ob und welche personenbezogenen Daten das Finanzamt verarbeitet und gespeichert hat. Außerdem ist das Finanzamt verpflichtet, dem Steuerpflichtigen eine Kopie der personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen.

Sachverhalt: Der Kläger beantragte am 25.9.2019 beim Finanzamt eine Auskunft über die über ihn gespeicherten Daten und verlangte die Übersendung entsprechender Kopien. Die Antwort des Finanzamts, das ihm verschiedene Übersichten zusandte, empfand er als unbefriedigend, so dass der Kläger seinen Antrag wiederholte. Daraufhin lehnte das Finanzamt seinen Antrag auf Erteilung von Kopien zu Vollstreckungsmaßnahmen mit Bescheid vom 4.12.2019 ab, fügte diesem Bescheid aber keine Rechtsbehelfsbelehrung bei. Am 25.2.2021, also ca. 14 Monate später, erhob der Kläger beim Finanzgericht Klage.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt die Klage für unzulässig, da der Kläger die Klage nicht innerhalb der Klagefrist erhoben hat:

  • Zwar kann ein Steuerpflichtiger, der einen Auskunftsanspruch nach datenschutzrechtlichen Grundsätzen gegen das Finanzamt geltend macht, eine sog. Verpflichtungsklage beim Finanzgericht erheben, wenn sein Antrag vom Finanzamt abgelehnt wird. Denn die begehrte Auskunft ist ein Verwaltungsakt, für dessen gerichtliche Geltendmachung nach allgemeinen Grundsätzen eine Verpflichtungsklage statthaft ist.

  • Allerdings muss die Verpflichtungsklage innerhalb der Klagefrist erhoben werden. Das Gesetz ordnet für die Erhebung von Verpflichtungs- sowie Anfechtungsklagen eine Klagefrist von einem Monat an. Diese Frist beginnt mit der Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids. Im Streitfall galt allerdings eine Klagefrist von einem Jahr statt eines Monats, weil dem Ablehnungsbescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war; der Gesetzgeber bestimmt für derartige Fälle eine Klagefrist von einem Jahr.

  • Der Kläger hat die Klage jedoch auch nicht innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheids vom 4.12.2019 erhoben, sondern erst am 25.2.2021, also nach ca. 14 Monaten.

Hinweise: Der Kläger hatte im Revisionsverfahren beim BFH noch geltend gemacht, dass das Finanzamt „die Anerkennung der Klage verweigert“ habe. Der BFH ließ offen, ob der Kläger damit zum Ausdruck bringen wollte, dass ein (weiterer) Ablehnungsbescheid ergangen sei; die Klage wäre insoweit nämlich unzulässig gewesen, weil der Kläger zuvor keinen (erneuten) Antrag auf Auskunftserteilung gestellt hat. Der ursprüngliche Antrag datierte vom 25.9.2019 und lag damit bereits mehr als ein Jahr zurück, so dass ein erneuter Antrag erforderlich gewesen wäre.

Der BFH verlangt bei datenschutzrechtlichen Verfahren die Erfüllung der formalen Anforderungen. So muss der Steuerpflichtige, bevor er das Gericht anrufen kann, grundsätzlich einen Antrag beim Finanzamt stellen, und dieser Antrag muss vom Finanzamt abgelehnt werden. Anderenfalls fehlt dem Kläger die sog. Beschwer.

Bei datenschutzrechtlichen Auskunftsverfahren wie im Streitfall ist nach dem Gesetz kein Einspruchsverfahren vorhergesehen. Gegen einen Ablehnungsbescheid kann der Steuerpflichtige innerhalb der Klagefrist also sogleich Klage erheben und muss nicht erst ein Einspruchsverfahren durchführen.

Quelle: BFH, Urteil vom 22.1.2025 - XI R 9/22; NWB


Spekulationsgewinn bei teilentgeltlicher Immobilienübertragung möglich

15.07.2025 10:42

Wird eine private Immobilie innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist teilweise entgeltlich auf ein Kind im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, kann dies zu einem steuerpflichtigen Spekulationsgewinn führen. Denn die Übertragung ist in ein voll entgeltliches Geschäft und in ein voll unentgeltliches Geschäft aufzuteilen, so dass bezüglich des voll entgeltlichen Anteils ein Spekulationsgewinn entsteht, wenn der Veräußerungserlös höher ist als die anteiligen Anschaffungskosten.

Hintergrund: Der Verkauf von Immobilien des Privatvermögens mit Gewinn innerhalb der zehnjährigen Spekulationsfrist ist steuerpflichtig. Wird ein Grundstück unentgeltlich übertragen, wird dem Beschenkten die Anschaffung durch den Schenker zugerechnet.

Sachverhalt: Der Kläger erwarb im Jahr 2014 eine Immobilie zum Preis von 143.950 € und finanzierte den Erwerb mit einem Bankkredit. Der Kläger vermietete das Grundstück und nahm Abschreibungen vor. Im März 2019 übertrug er die Immobilie auf seine Tochter T. T übernahm das Darlehen, das zu diesem Zeitpunkt noch mit 115.000 € valutierte. Der Verkehrswert der Immobilie betrug im März 2019 210.000 €. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Übertragung im Umfang von 54,76 % entgeltlich gewesen sei, weil T das Darlehen mit einem Stand von 115.000 € übernommen, der Verkehrswert des Grundstücks aber 210.000 € betragen hatte (115.000 : 210.000 = 54,76 %). Es gelangt so zu einem Spekulationsgewinn in Höhe von ca. 40.000 €.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Die Übertragung auf T war teilentgeltlich erfolgt, da T nur eine Gegenleistung in Höhe von 115.000 € durch Übernahme des Darlehens erbringen musste, sie hierfür aber das Grundstück mit einem Verkehrswert von 210.000 € erhielt.

  • Bei einer teilentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsguts des Privatvermögens ist die Übertragung in ein voll entgeltliches Geschäft und in ein voll unentgeltliches Geschäft aufzuteilen. Denn auch die gesetzliche Regelung über Spekulationsgewinne unterscheidet zwischen vollentgeltlichen Übertragungen und unentgeltlichen Übertragungen, bei denen dem Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen ist.

  • Die Aufteilung richtet sich nach dem Verhältnis des Kaufpreises zum Verkehrswert. Dies führte zu einem entgeltlichen Anteil von 54,76 % (115.000 : 210.000). Daher waren vom Entgelt in Höhe von 115.000 € die Anschaffungskosten (ursprünglich: 143.950 €) mit einem Anteil von 54,76 % (= 78.828 €) abzuziehen. Der Spekulationsgewinn erhöhte sich noch um die Abschreibungen der Jahre 2014 bis März 2019, die nach dem Gesetz hinzurechnen sind, so dass sich ein Spekulationsgewinn von rund 40.000 € ergab.

Hinweise: Für den BFH war unbeachtlich, dass der Veräußerungserlös (115.000 €) niedriger war als die ursprünglichen Anschaffungskosten des Klägers von 143.950 €; denn aufgrund der Aufteilung in einen vollentgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil waren die Anschaffungskosten nur mit einem Anteil von 54,76 % anzusetzen.

Neben dem einkommensteuerlichen Spekulationsgewinn droht möglicherweise noch eine Belastung der T mit Schenkungsteuer, sofern T weiteres Vermögen vom Kläger zugewendet wird bzw, wurde (Freibetrag bei Kindern: 400.000 € bei Schenkungen innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren). Bei der Schenkungsteuer wird jedoch nur der voll unentgeltliche Teil der Übertragung besteuert. Der T sind 95.000 € geschenkt worden (Verkehrswert 210.000 € - Verbindlichkeiten 115.000 €). Die Schenkungsteuer war jedoch nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens.

Quelle: BFH, Urteil vom 11.3.2025 – IX R 17/24; NWB


Bundesrat billigt Verlängerung der Mietpreisbremse

14.07.2025 08:25

Der Bundesrat hat am 11.7.2025 die Verlängerung der Mietpreisbremse gebilligt. Damit läuft die Mietpreisbremse weiter bis zum 31.12.2029.

Im Kern regelt die Mietpreisbremse, dass die Miete bei der Neu- und Wiedervermietung die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens zehn Prozent übersteigen darf. Dies gilt nur für Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten. Dazu zählen Regionen, in denen die Mieten deutlich stärker steigen als im Bundesdurchschnitt oder in denen die Bevölkerung besonders stark wächst, ohne dass der Wohnungsneubau damit Schritt hält. Welche Gebiete dazu gehören, legen die jeweiligen Landesregierungen fest

Die Mietpreisbremse existiert seit 2015. Ohne die Verlängerung würde sie zum auslaufen. Zudem konnte bisher ein Gebiet nur für die Dauer von fünf Jahren zum angespannten Wohnungsmarkt erklärt werden – diese zeitliche Einschränkung entfällt nun.

Die Verlängerung der Mietpreisbremse begründet der Bundestag mit dem weiter angespannten Mietwohnungsmarkt in Ballungszentren. Liefe die Mietpreisbremse zum Ende des Jahres aus, könnte dies zusammen mit den steigenden Energiekosten und den anderweitig hohen Preisen dazu führen, dass Menschen mit niedrigem, aber auch durchschnittlichem Einkommen – insbesondere Familien mit Kindern – aus ihren angestammten Wohnvierteln verdrängt werden.

Hinweis: Da der Vermittlungsausschuss nicht angerufen wurde, kann das Gesetz nun ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Quelle: BundesratKOMPAKT, Meldung v. 11.7.2025; NWB


Steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung Deutschlands

30.06.2025 09:27

Der Bundestag hat am 26.6.2025 den Entwurf eines „Gesetzes für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ beschlossen. Das Gesetz sieht neben der Senkung des Körperschaftsteuersatzes u.a. die Wiedereinführung einer degressiven Abschreibung von 30 % pro Jahr für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vor. Der Bundesrat muss dem Vorhaben noch zustimmen.

Die geplanten Maßnahmen im Überblick:

Wiedereinführung und Aufstockung der degressiven AfA ab Juli 2025 bis Ende 2027

Üblicherweise schreiben Unternehmen neu angeschaffte Maschinen, Geräte oder Fahrzeuge über die Jahre ihrer Nutzungsdauer linear, d. h. mit gleichbleibenden Jahresbeträgen vom Anschaffungswert, ab. Geplant ist, neben der linearen AfA bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens die sog. degressive AfA wieder einzuführen, und zwar im Umfang von maximal 30 % pro Jahr. Dies soll für Wirtschaftsgüter gelten, die nach dem und vor dem angeschafft oder hergestellt worden sind. Das bedeutet, dass Unternehmen bereits im Jahr des Erwerbs eines Wirtschaftsguts 30 % der Anschaffungskosten mit ihrem Gewinn verrechnen können. Im zweiten und dritten Jahr sollen erneut 30 % auf den restlichen Wert geltend gemacht werden können. Der bei der degressiven AfA anzuwendende Abschreibungssatz darf höchstens das Dreifache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes betragen.

Bereits in der Vergangenheit wurde die degressive AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mehrfach befristet wiedereingeführt – zuletzt für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.3.2024 und vor dem 1.1.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind. Hierbei beträgt der Abschreibungssatz maximal das 2‑fache der linearen AfA, höchstens jedoch 20 % pro Jahr (s. hierzu unsere Mandanten-Information Juni 2024).

Schrittweise Senkung des Körperschaftsteuersatzes ab dem

Geplant ist, die Körperschaftsteuer von derzeit 15 % ab dem 1.1.2028 in fünf Schritten jedes Jahr um ein Prozent bis auf 10 % ab dem VZ 2032 zu senken.

Förderung der Elektromobilität

Ferner ist eine beschleunigte Abschreibung der Anschaffungskosten für betriebliche Elektrofahrzeuge mit fallenden Staffelsätzen geplant:

  • Im Jahr der Anschaffung 75 %,

  • im ersten Jahr danach 10 %,

  • im zweiten und dritten Folgejahr 5 %,

  • im vierten Folgejahr 3 % und

  • im fünften Folgejahr 2 %.

Die Regelung soll für E-Autos gelten, die nach dem und vor dem neu angeschafft werden. Zudem ist vorgesehen, die Bruttolistenpreisgrenze für die Besteuerung der privaten Nutzung elektrischer Dienstwagen, die nach dem 30.6.2025 angeschafft werden, von aktuell 70.000 € auf 100.000 € zu erhöhen.

Ausweitung der Forschungszulage

Darüber hinaus soll die Forschungszulage auf zusätzliche Gemein- und sonstige Betriebskosten ausgeweitet werden, wenn die förderfähigen Aufwendungen im Rahmen eines begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhabens, welches nach dem begonnen hat, entstanden sind. Dabei sollen die Gemein- und Betriebskosten über einen pauschalen Abschlag von 20 % berücksichtigt werden. Zudem ist eine Anhebung der maximalen Bemessungsgrundlage für nach dem 31.12.2025 entstandene förderfähige Aufwendungen von 10 Mio. € auf 12 Mio. € vorgesehen.

Schrittweise Senkung des Thesaurierungssteuersatzes für nicht entnommene Gewinne

Für Personengesellschaften soll der Steuersatz auf einbehaltene Gewinne künftig in drei Schritten von derzeit 28,25 % auf 27 % (Veranlagungszeitraum 2028/2029), 26 % (Veranlagungszeitraum 2030/2031) und 25 % (ab dem Veranlagungszeitraum 2032) abgesenkt werden.

Hinweis: Die Zustimmung des Bundesrats steht derzeit (Stand: 27.6.2025) noch aus. Möglicherweise erfolgt eine Verabschiedung des Gesetzes bereits vor der parlamentarischen Sommerpause. Über den weiteren Gang des Verfahrens und die endgültigen Regelungen werden wir Sie an dieser Stelle informieren.

Quelle: Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD für ein Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT-Drucks. 21/629), Stand: 25.06.2025; NWB


Erlass von Säumniszuschlägen nach Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung

27.06.2025 07:57

Ein Steuerpflichtiger kann den Erlass von Säumniszuschlägen beantragen, wenn sein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zwar keinen Erfolg hatte, so dass Säumniszuschläge verwirkt worden sind, jedoch das Einspruchs- bzw. Klageverfahren zu einer Herabsetzung der Steuer geführt hat. Voraussetzung ist, dass der Steuerpflichtige seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung begründet hatte. Ob es auch erforderlich ist, dass der Steuerpflichtige nach der Ablehnung seines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzamt noch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei Gericht stellt, hängt vom Einzelfall ab.

Hintergrund: Gegen Steuerbescheide, aus denen sich eine Nachzahlungsverpflichtung zu Lasten des Steuerpflichtigen ergibt, kann der Steuerpflichtige Einspruch einlegen und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt und – nach dessen Ablehnung – beim Finanzgericht stellen, damit er die Nachzahlung zunächst nicht leisten muss. Wird die Aussetzung der Vollziehung gewährt, entfällt damit auch die Fälligkeit, so dass keine Säumniszuschläge entstehen. Wird der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung aber abgelehnt und die Steuer nicht bei Fälligkeit gezahlt, entstehen Säumniszuschläge. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige das eigentliche Einspruchs- oder Klageverfahren gegen den Bescheid später gewinnt.

Sachverhalt: Das Finanzamt erließ gegenüber den Klägern im Dezember 2018 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2012, aus dem sich ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von rund 1,1 Mio. € ergab. Die Nachzahlung beruhte auf dem Ansatz von verdeckten Gewinnausschüttungen zu Lasten der Kläger in Höhe von ca. 4,2 Mio. €. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt; dieser Antrag sowie ein weiterer Antrag hatten jedoch keinen Erfolg. Die Kläger stellten beim Finanzgericht keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und zahlten die Steuer nicht, so dass Säumniszuschläge verwirkt wurden. Im Einspruchsverfahren reichten die Kläger Unterlagen ein, die zu einem weitgehenden Erfolg im Einspruchsverfahren führten, so dass der Steuerbescheid im Februar 2020 geändert und die Steuer deutlich herabgesetzt wurde. Für den Zeitraum vom Januar 2019 bis Februar 2020 waren jedoch Säumniszuschläge in Höhe von ca. 143.000 € entstanden, deren Erlass die Kläger nun beantragten.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt einen Erlass der Säumniszuschläge für denkbar und verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Aufklärung zurück:

  • Säumniszuschläge sind zu erlassen, wenn der Steuerpflichtige alles getan hat, um eine Aussetzung der Vollziehung des Steuerbescheids zu erreichen, hiermit aber beim Finanzamt oder beim Finanzgericht gescheitert ist, obwohl die Aussetzung der Vollziehung möglich und geboten gewesen wäre.

  • Erforderlich ist insbesondere, dass der Steuerpflichtige seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung begründet hat. Außerdem muss er im weiteren Verlauf des Einspruchs- bzw. Klageverfahrens Erfolg gehabt haben.

  • Es hängt allerdings von den Umständen des Einzelfalls ab, ob der Steuerpflichtige auch noch beim Finanzgericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt haben muss, nachdem das Finanzamt seinen mit einer Begründung versehenen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat. Grundsätzlich ist ein gerichtlicher Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht erforderlich. Denn wenn der Steuerpflichtige beim Finanzamt einen ausreichend begründeten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat, hat er im Allgemeinen alles Erforderliche getan, um eine Aussetzung der Vollziehung zu erlangen, die die Entstehung von Säumniszuschlägen verhindert.

  • Anders ist dies aber, wenn zu erwarten ist, dass das Finanzgericht den Antrag auf Aussetzung möglicherweise positiv beurteilt hätte. Dies ist etwa der Fall, wenn das Finanzamt bei seiner Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung an Verwaltungsanweisungen gebunden war. Das Finanzgericht ist hieran nicht gebunden und könnte daher anders entscheiden.

Hinweise: Das Finanzgericht muss nun aufklären, inwieweit die Säumniszuschläge auf der Steuernachzahlung beruhten, die durch den Änderungsbescheid aus Februar 2020 gemindert wurde; nur insoweit kommt ein Erlass in Betracht. Anschließend muss das Finanzgericht prüfen, ob die Kläger alles getan haben, um eine Aussetzung der Vollziehung zu erreichen. Dies hängt u.a. davon ab, ob die Kläger daran gehindert waren, die Unterlagen, die sie erst im Einspruchsverfahren eingereicht haben, schon im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung vorzulegen.

Quelle: BFH, Urteil vom 25.2.2025 – VIII R 2/23; NWB


Drohende Aufrechnung trotz laufenden Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung

26.06.2025 09:43

Hat der Steuerpflichtige bei Gericht einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt und droht in diesem Verfahren eine Abtretung des Finanzamts an ein anderes Finanzamt, das gegenüber dem Steuerpflichtigen aufrechnen soll, kann der Steuerpflichtige einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Finanzgericht stellen, damit die Abtretung vorübergehend unterbunden wird.

Hintergrund: Erhält der Steuerpflichtige einen Steuerbescheid, aus dem sich eine Nachzahlungsverpflichtung zu seinen Lasten ergibt, kann er gegen den Bescheid Einspruch einlegen und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzamt und ggf. beim Finanzgericht stellen, damit die Nachzahlung vorübergehend gestoppt wird. Voraussetzung ist, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Eine andere Art des Eilverfahrens ist die sog. einstweilige Anordnung, die statthaft ist, wenn ein Anspruch des Steuerpflichtigen vereitelt werden könnte.

Sachverhalt: Das Finanzamt A erließ gegenüber dem Antragsteller, der Geschäftsführer der C-GmbH gewesen war, einen Haftungsbescheid über einen Betrag von ca. 315.000 €; hierbei handelte es sich um Steuerschulden der C-GmbH. Der Antragsteller legte hiergegen Einspruch ein und beantragte am 20.2.2025 die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheids beim Finanzgericht, nachdem das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte. Der Antragsteller wurde einkommensteuerlich beim Finanzamt B geführt, bei dem er einen Anspruch auf Steuererstattung erwartete. Während des gerichtlichen Verfahrens teilte das Finanzamt A am 7.3.2025 dem Gericht mit, dass es den Zahlungsanspruch aus dem streitigen Haftungsbescheid an das Finanzamt B abtreten werde, damit dieses gegenüber dem Antragsteller aufrechnen kann. Der Antragsteller stellte daraufhin beim Finanzgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, damit sichergestellt wird, dass sämtliche Vollstreckungsmaßnahmen bezüglich des Haftungsbescheids unterbleiben.

Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) gab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statt:

  • Ein Antragsteller, der einen gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellt, hat einen Anspruch auf ungestörte Durchführung des Verfahrens. Dies ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz.

  • Dieser Anspruch wird gestört, wenn das Finanzamt A als Antragsgegner während des Verfahrens die Vollstreckung betreibt, die durch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gerade verhindert werden soll. Besonders wichtige Gründe für den sofortigen Vollzug des Haftungsbescheids sind im Streitfall nicht erkennbar.

  • Der Antragsteller kann daher mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen, dass die Vollstreckung unterbleibt, bis über seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden wird.

Hinweise: Das Finanzgericht untersagte daher dem Finanzamt A die Abtretung des Anspruchs aus dem Haftungsbescheid und hob – für den Fall, dass die Abtretung bereits erfolgt ist – die Abtretungserklärung des Finanzamts A auf.

Üblicherweise vollstrecken die Finanzämter nicht, wenn der Steuerpflichtige einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt hat, über den noch nicht entschieden ist. Die Vorgehensweise der beiden Finanzämter A und B ist daher ungewöhnlich, auch wenn streitig ist, ob eine Aufrechnung eine typische Vollstreckung ist. Unüblich ist aber auch, ein zweites Eilverfahren – hier den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung – „zwischenzuschieben“, um Luft für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung zu haben. In der Praxis kann das Finanzamt durch einen Anruf des Gerichts von der Vollziehung abgehalten werden; gelingt dies nicht, weil das Finanzamt mitteilt, dass es gleichwohl vollstrecken will, kann der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vorgezogen und zugunsten des Steuerpflichtigen gerichtlich entschieden werden, damit eine Vollziehung unterbleibt, bis eine abschließende Entscheidung über mögliche ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids ergehen kann; man nennt dies auch „gerichtliche Hängeverfügung“.

Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.3.2025 – 9 V 9049/25; NWB


Mitteilung über ergebnislose Außenprüfung

20.06.2025 09:15

Die Mitteilung des Außenprüfers, dass die durchgeführte Außenprüfung zu keinen Mehr- oder Minderergebnissen geführt hat, ist kein Verwaltungsakt. Der Steuerpflichtige kann gegen diese Mitteilung daher keinen Einspruch einlegen, um so noch eine Änderung der Steuerbescheide zu seinen Gunsten herbeizuführen.

Hintergrund: Eine Außenprüfung führt häufig zu steuerlichen Mehrergebnissen. Es ergehen dann Änderungsbescheide, die angefochten werden können. Führt die Außenprüfung aber weder zu Mehr- noch zu Minderergebnissen, teilt der Außenprüfer dies dem Steuerpflichtigen mit. Es ergehen dann natürlich keine Änderungsbescheide.

Ist eine Außenprüfung durchgeführt worden, können die Steuerbescheide, die aufgrund der Außenprüfung ergangen sind, anschließend nicht mehr wegen neuer Tatsachen zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert werden, es sei denn, es wird eine Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung festgestellt. Entsprechendes gilt, wenn die Außenprüfung ergebnislos verlief und dies dem Steuerpflichtigen mitgeteilt worden ist; auch dann greift die sog. Änderungssperre.

Sachverhalt: Kläger war der A, der zum einen ein Einzelunternehmen betrieb und zum anderen mit ca. 60 % an der AB-GbR beteiligt war. Er machte in seinem Einzelunternehmen in den Jahren 2010 bis 2012 verschiedene Aufwendungen als Betriebsausgaben geltend, bei denen nicht klar war, ob sie sein Einzelunternehmen oder aber die AB-GbR betreffen. Das Finanzamt führte daher parallel zwei Außenprüfungen bei A sowie bei der AB-GbR für die Jahre 2010 bis 2012 durch. Die Außenprüfung bei A führte zu dem Ergebnis, dass die von A geltend gemachten Betriebsausgaben nicht anerkannt werden, weil sie mit der AB-GbR in Zusammenhang standen; die Einkommensteuerbescheide des A für 2010 und 2011 wurden dementsprechend zu seinen Ungunsten geändert. Die Außenprüfung bei der AB-GbR führte hingegen zu keinen Änderungen. Der Prüfer teilte dies der AB-GbR am 19.5.2015 mit. Am 29.7.2015 beantragte die AB-GbR die Änderung ihrer Gewinnfeststellungsbescheide für 2010 und 2011, damit die bei A nicht anerkannten Betriebsausgaben nun bei ihr berücksichtigt werden können. Das Finanzamt lehnte diesen Änderungsantrag ab.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Gegen die Gewinnfeststellungsbescheide für 2010 und 2011 ist ein Einspruch nicht möglich, da die einmonatige Einspruchsfrist im Mai 2015 längst abgelaufen war.

  • Die AB-GbR kann auch gegen die Mitteilung des Außenprüfers, dass die Außenprüfung zu keinen Mehrergebnissen geführt habe, keinen Einspruch einlegen. Diese Mitteilung ist nämlich kein Verwaltungsakt, da sie keine Regelung enthält. Sie ist lediglich ein sog. Realakt.

  • Zwar führt die Mitteilung des Außenprüfers zu einer sog. Änderungssperre, so dass die Gewinnfeststellungsbescheide der AB-GbR grundsätzlich nicht mehr wegen neuer Tatsachen geändert werden können; ferner führt die Mitteilung zu einer Beendigung der Ablaufhemmung bei der Festsetzungsverjährung. Diese Rechtsfolgen ergeben sich jedoch nicht aufgrund einer Regelung in der Mitteilung, sondern kraft Gesetzes, das an die Mitteilung anknüpft.

  • Aufgrund der Änderungssperre konnten die Gewinnfeststellungsbescheide der AB-GbR für 2010 und 2011 nicht mehr wegen neuer Tatsachen – also außerhalb eines Einspruchsverfahrens – geändert werden.

Hinweise: Die AB-GbR hätte während der Außenprüfung vorsorglich einen Antrag auf Änderung ihrer Gewinnfeststellungsbescheide für 2010 und 2011 stellen sollen. Dieser Antrag hätte nicht der Änderungssperre unterlegen, weil die Mitteilung über die ergebnislose Außenprüfung noch nicht ergangen war; das Finanzamt hätte dann über diesen Antrag entscheiden müssen, und zwar auch nach der Mitteilung des Außenprüfers über die Ergebnislosigkeit der Prüfung, da eine Änderungssperre aufgrund des frühzeitig gestellten Änderungsantrags nicht gegolten hätte.

Quelle: BFH, Urteil vom 20.2.2025 – IV R 17/22; NWB


Vorsicht Falle: Steuerverwaltung Rheinland-Pfalz warnt vor gefälschten E-Mails im Namen von ELSTER

16.06.2025 12:15

Derzeit kursieren vermehrt gefälschte E-Mails, die angeblich von der Steuerverwaltung oder ELSTER stammen. Hierauf macht das Finanzministerium Rheinland-Pfalz (FinMin) aufmerksam.

Hierzu führt das FinMin weiter aus:

  • Die E-Mails sehen oft täuschend echt aus, nutzen das ELSTER-Logo und allgemein gehaltene Anreden wie "Sehr geehrter Kunde".

  • Häufig wird eine Steuererstattung in Aussicht gestellt oder zur Verifizierung des ELSTER-Kontos aufgefordert. Ziel ist es, persönliche Daten, Zugangsdaten oder Bankinformationen abzugreifen.

  • Auch Unternehmen werden gezielt angeschrieben. Dabei wird mit Formulierungen wie „ernsthafte Konsequenzen“ oder „Verzögerungen werden nicht toleriert“ Druck aufgebaut.

Hinweise: Das FinMin empfiehlt auf diese E-Mails nicht zu antworten, nicht auf Links oder Anhänge zu klicken und verdächtige Nachrichten umgehend zu löschen.

Zudem weist das FinMin darauf hin, dass die Steuerverwaltung niemals per E-Mail zur Eingabe sensibler Daten auffordern würde. Steuerdaten oder Bescheide werden nicht als E-Mail-Anhänge versendet.

Mehr Informationen zur sicheren Nutzung von ELSTER sind auf der ELSTER-Webseite im Bereich "Sicherheit" verfügbar.

Quelle: FinMin Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 16.6.2025; NWB


Gemeinnützigkeit einer Internet-Plattform für Online-Petitionen

13.06.2025 07:37

Ein Verein, der nach seinem Satzungszweck die Förderung des demokratischen Staatswesens verfolgt und hierfür eine Online-Plattform bereitstellt, auf der Petitionen und Kampagnen gestartet werden können, ist gemeinnützig, wenn sich die Petitionen auf potentielle parlamentarische Vorgänge beziehen und nicht auf privatrechtliche Vorgänge.

Hintergrund: Gemeinnützige Körperschaften sind körperschaft- und gewerbesteuerfrei. Die Gemeinnützigkeit setzt voraus, dass der Verein bzw. die GmbH nach der Satzung einen im Gesetz genannten gemeinnützigen Zweck verfolgt und dass dieser auch tatsächlich umgesetzt wird. Nach dem Gesetz gehört z.B. die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens zu den gemeinnützigen Zwecken; ausgeschlossen sind jedoch Bestrebungen, die nur bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art verfolgen oder die auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind.

Sachverhalt: Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der nach seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar die Förderung des demokratischen Staatswesens verfolgt. Er unterhielt in den Streitjahren 2016 und 2017 eine Online-Plattform, auf der Petitionen und Kampagnen unentgeltlich gestartet werden konnten. Die Petitionen und Kampagnen konnten sich an staatliche und an nichtstaatliche Stellen richten. Außerdem bot der Kläger Unterstützung bei Petitionen und Kampagnen an, die er für erfolgreich oder relevant hielt. Petitionen, die einen „offensichtlich rechtswidrigen“ Inhalt hatten, wurden nicht zugelassen. Das Finanzamt erkannte die steuerliche Gemeinnützigkeit nicht an, sondern erließ einen Körperschaftsteuerbescheid, in dem es die Körperschaftsteuer auf 0 € festsetzte.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt eine Gemeinnützigkeit für möglich und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Zwar ist die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich Deutschlands grundsätzlich ein gemeinnütziger Zweck. Dieser Zweck kann durch die Bereitstellung einer Online-Plattform, die die freie, offene und unreglementierte politische Willensbildung bei der Ausübung der Staatsgewalt betrifft, gefördert werden, wenn der Plattformbetreiber die dort online gestellten Petitionen bzw. Anliegen – auch parteipolitisch – neutral und ohne inhaltliche Wertung fördert.

  • Allerdings steht noch nicht fest, ob es dem Kläger um die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens ging. Eine derartige Förderung ist nämlich nur dann anzunehmen, wenn die auf der Online-Plattform zur Abstimmung gestellten Anliegen auf eine öffentliche Meinungsbildung bezüglich der Ausübung der Staatsgewalt Einfluss nehmen sollten. Das jeweilige Anliegen muss also geeignet sein, Gegenstand einer parlamentarischen Befassung zu sein bzw. zu werden. Die Petitionen bzw. Anliegen dürfen nicht privatrechtliche Anliegen, etwa die Kündigung eines Vermieters, betreffen oder etwa zu einem Boykott aufrufen.

  • Zu klären ist ferner, ob sich der Kläger, soweit er Petitionen und Kampagnen unterstützt hat, auf die Förderung des offenen Prozesses der politischen Meinungsbildung beschränkt hat – dies wäre steuerlich unschädlich - oder ob er sich bestimmte Anliegen zu eigen gemacht hat. Auch müssen die Kriterien, die für ihn bei der Förderung maßgeblich waren, dahingehend überprüft werden, ob sie die notwendige geistige Offenheit gewährleisteten. Problematisch wäre es, wenn der Kläger vor allem solche Anliegen gefördert hätte, die mit besonderer Intensität betrieben wurden; denn dann hätte der Kläger die „lautstärkste“ Meinung unterstützt.

Hinweise: Das FG muss den Sachverhalt nun weiter aufklären. Dabei muss es auch aufklären, nach welchen Kriterien der Kläger einzelne Petitionen bzw. Anliegen als rechtswidrig eingestuft hat. Schließlich muss sich das FG damit auseinandersetzen, ob die Beschränkung der Förderung des Staatswesens auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eine bloß räumliche Beschränkung der Tätigkeit des Klägers bedeutet, so dass der Kläger nicht vom Ausland aus tätig werden durfte, ob damit die Förderung des demokratischen Staatswesens im Inland gemeint ist.

Nicht begünstigt ist im Übrigen die Förderung politischer Einzelmeinungen. Unschädlich ist es aber, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist.

Quelle: BFH, Urteil vom 12.12.2024 - V R 28/23; NWB


Kindergeldanspruch während des Freiwilligen Wehrdienstes

11.06.2025 07:33

Das Ableisten eines "Freiwilligen Wehrdienstes" kann bei einem volljährigen Kind für sich genommen ‑ anders als etwa ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr ‑ keinen Kindergeldanspruch begründen. Jedoch kann während der Zeit des Freiwilligen Wehrdienstes ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, wenn das Kind einen der im Gesetz genannten Berücksichtigungstatbestände erfüllt, also etwa während des Wehrdienstes für einen Beruf ausgebildet wird oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.

Hintergrund: Ein Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind, das noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, kann u.a. dann bestehen, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.

Sachverhalt: Derr Sohn S des Klägers absolvierte nach seinem Abitur einen zehn Monate dauernden Freiwilligen Wehrdienst. Die Familienkasse bewilligte dem Kläger für die Übergangszeit zwischen Abitur und Grundausbildung sowie für die Zeit der Grundausbildung Kindergeld für S. Nach der Beendigung der Grundausbildung verrichtete S Dienst in einem Mannschaftsdienstgrad. Eine weitere Ausbildung bei der Bundeswehr fand nicht statt. Nach dem Ende des Freiwilligen Wehrdienstes studierte S an einer zivilen Hochschule. Den Entschluss dazu hatte er während des Freiwilligen Wehrdienstes gefasst.

Die beklagte Familienkasse sowie das Finanzgericht der ersten Instanz versagten für die Zeit nach Beendigung der Grundausbildung bis zum Beginn des Studiums die Festsetzung von Kindergeld. Der Freiwillige Wehrdienst gehöre - anders als etwa ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr - nicht zu den gesetzlich festgelegten Berücksichtigungstatbeständen, die für sich genommen einen Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind begründen können.

Entscheidung: Der BFH gab der hiergegen gerichteten Klage überwiegend statt:

  • Auch nach dem Ende der Grundausbildung und trotz einer Erwerbstätigkeit des Kindes als Soldat mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden kann ein Kindergeldanspruch bestehen, wenn das Kind - wie S im Streitfall - eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.

  • Zwar ist die dreimonatige Grundausbildung Teil einer Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier. Ihre Beendigung führt jedoch nicht zu einem für den weiteren Kindergeldbezug gegebenenfalls schädlichen Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung.

Hinweis: Für einen Monat wies der BFH die Klage jedoch zurück, weil sich der Entschluss des S, sich um einen Studienplatz zu bemühen, erst im Folgemonat objektiviert hatte. Der bloße Vortrag des Kindergeldberechtigten und des Kindes, der Entschluss zu einer Ausbildung oder zu einem Studium sei früher gefasst worden, ist für die Begründung des Anspruchs nicht ausreichend.

Quelle: BFH, Pressemitteilung zum BFH-Urteil v. 20.2.2025 - III R 43/22; NWB


Bekanntgabe eines Steuerbescheids bei nicht täglicher Postzustellung

10.06.2025 12:29

Die gesetzliche Zugangsvermutung, nach der ein Steuerbescheid drei Tage nach Aufgabe zur Post (ab 2025: vier Tage nach Aufgabe zur Post) als bekanntgegeben gilt, greift auch dann, wenn die Post an zwei Tagen der Dreitagesfrist nicht zustellt, weil sie an einem der beiden Tage (Samstag) grundsätzlich keine Zustellungen vornimmt und der nachfolgende Tag ein zustellfreier Sonntag ist.

Hintergrund: Nach dem Gesetz gilt ein Verwaltungsakt bis einschließlich 2024 nach drei Tagen nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, so dass am Tag danach die Einspruchsfrist beginnt. Ab 2025 wurde die gesetzliche Dreitagesfrist durch eine Viertagesfrist ersetzt.

Sachverhalt: Die Klägerin erstellte ihre Einkommensteuererklärung für 2017 selbst, d.h. ohne Hilfe eines Steuerberaters. Am Freitag, dem 15.6.2018, erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid für 2017 und übergab ihn einem Postdienstleistungsunternehmen, das jedoch die Post im Wohnviertel der Klägerin nur zwischen Montag und Freitag austrägt, nicht aber am Samstag und am generell zustellungsfreien Sonntag. Die Klägerin war bis einschließlich Montag, dem 18.6.2018, beruflich auswärts tätig und kehrte erst am 19.6.2018 in ihre Wohnung zurück, wo sie nach eigenen Angaben den Einkommensteuerbescheid für 2017 im Briefkasten vorfand. Sie übersandte den Bescheid noch am selben Tag per Telefax an ihren Steuerberater, dem sie keine Empfangsvollmacht erteilt hatte. Dieser legte am 19.7.2018 Einspruch ein. Das Finanzamt ging von einer Versäumnis der Einspruchsfrist aus und verwarf den Einspruch als unzulässig.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der Einspruch war verfristet, weil bei Einlegung des Einspruchs am 19.7.2018 die einmonatige Einspruchsfrist abgelaufen war.

  • Der Steuerbescheid galt nach der im Jahr 2018 anwendbaren Dreitagesfrist nach drei Tagen nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Die Aufgabe zur Post war am Freitag, dem 15.6.2018, durch Übergabe an das Postdienstleistungsunternehmen erfolgt. Damit galt die Bekanntgabe als am Montag, dem 18.6.2018, erfolgt, so dass die Einspruchsfrist am 19.6.2018 (Dienstag) begann und am 18.7.2018 endete; der Einspruch wurde aber erst am 19.7.2018 eingelegt.

  • Die Dreitagesfrist war im Streitfall anwendbar, auch wenn eine Postzustellung weder am Samstag, dem 16.6.2018, noch am Sonntag, dem 17.6.2018, möglich war, da das Postdienstleistungsunternehmen samstags nicht zustellte und sonntags ohnehin keine Post ausgetragen wurde. Gleichwohl war eine Postauslieferung am Montag, dem 18.6.2018 und dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post zwar etwas weniger wahrscheinlich, aber möglich.

Hinweise: Aufgrund der zahlreichen Probleme und Mängel bei der Postzustellung hat der Gesetzgeber die Dreitagesfrist durch eine Viertagesfrist ersetzt. Die neue Frist gilt für alle Verwaltungsakte (Bescheide), die nach dem 31.12.2024 zur Post aufgegeben werden.

Die Klägerin hatte vorgetragen, dass sie ihre Mutter sowie eine Freundin mit der Leerung des Briefkastens beauftragt habe. Hieraus konnte jedoch nicht geschlossen worden, dass der Bescheid erst am 19.6.2018 in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen wurde. Hierzu hätte die Klägerin vortragen müssen, dass die Mutter und die Freundin den Briefkasten nach der Zustellrunde am 18.6.2018 geleert hätten und sich der Einkommensteuerbescheid für 2017 nicht im Briefkasten befunden habe. Tatsächlich hatte die Klägerin einen Zugang des Bescheids am 18.6.2018 aber nicht substantiiert bestritten.

Quelle: BFH, Urteil vom 20.2.2025 – VI R 18/22; NWB


Schuldzinsenabzug nach unentgeltlicher Übertragung eines Grundstücksteils

06.06.2025 11:27

Wird ein Teil einer vermieteten und fremdfinanzierten Immobilie unentgeltlich auf ein Kind übertragen, können die Schuldzinsen, die auf den übertragenen Teil entfallen und vom Kind nicht übernommen werden, nicht mehr als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht werden. Denn insoweit besteht kein Zusammenhang mehr zwischen den Schuldzinsen und den Vermietungseinkünften.

Hintergrund: Wird die Anschaffung einer vermieteten Immobilie mit einem Bankkredit finanziert, sind die Kreditzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung absetzbar.

Sachverhalt: Die Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft, die aus einem Vater und seinem Sohn besteht. Ursprünglich war der Vater alleiniger Eigentümer einer vermieteten Immobilie, für deren Anschaffungskosten er einen Immobilienkredit aufgenommen hatte. Mit Vertrag vom 14.6.2019 übertrug der Vater unentgeltlich einen Miteigentumsanteil von 2/5 auf seinen Sohn, so dass hierdurch die Grundstücksgemeinschaft (Klägerin) entstand. Die Klägerin machte im Streitjahr 2020 Schuldzinsen in Höhe von ca. 60.000 € als Sonderwerbungskosten des Klägers geltend, die für den Immobilienkredit anfielen. Das Finanzamt erkannte nur 3/5 des Betrags, ca. 36.000 €, als Werbungskosten an.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Zinsen für einen Kredit, der für die Anschaffung oder Herstellung einer vermieteten Immobilie aufgenommen worden ist, sind grundsätzlich Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Denn die Zinsen sind durch die Erzielung von Mieteinnahmen veranlasst.

  • Dieser Veranlassungszusammenhang wurde aber durch die unentgeltliche Übertragung eines Teils des Grundstücks auf den Sohn gelöst. Die Übertragung war unentgeltlich und führte nicht zu Einkünften; die Darlehensverbindlichkeit verblieb beim Vater, da der Sohn weder einen Schuldbeitritt erklärt noch die Darlehensschuld anteilig übernommen hatte und somit auch die Zinsen nicht anteilig trug. Damit wurde der Kredit im Umfang von 2/5 nicht mehr zur Erzielung von Einkünften verwendet.

Hinweise: Die verbleibenden Zinsen im Umfang von 3/5 des Gesamtbetrags der Zinsen wurden als sog. Sonderwerbungskosten des Vaters bei der Feststellung der Vermietungseinkünfte der Klägerin berücksichtigt. Denn nicht die Klägerin war Kreditnehmerin und zahlte die Zinsen, sondern der Vater.

Hätte der Vater seinem Sohn keinen Miteigentumsanteil übertragen, sondern das Grundstück behalten, anschließend das Grundstück veräußert und damit die Vermietungstätigkeit aufgegeben, hätte er die Zinsen steuerlich absetzen können, soweit der Veräußerungserlös nicht ausgereicht hätte, um das Immobiliendarlehen abzulösen.

Quelle: BFH, Urteil vom 3.12.2024 – IX R 2/24; NWB


Besteuerung von durch Untreue erlangte Einnahmen

04.06.2025 08:06

Beteiligt sich der Steuerpflichtige an einer Untreue und erhält er von dem Begünstigten hierfür eine Beteiligung am Taterfolg, ist diese Beteiligung nicht einkommensteuerbar. Es handelt sich weder um sonstige Einkünfte noch um Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Hintergrund: Zu den sonstigen Einkünften gehören Einkünfte aus Leistungen, die sich keiner anderen Einkunftsart zuordnen lassen und bei denen der Steuerpflichtige Geld für eine Leistung erhält.

Sachverhalt: Der Kläger war Geschäftsführer der A-KG und dort für den Vertrieb zuständig. Ein wichtiger Kunde der A-KG war die E-GmbH, für die der H tätig war. Der Kläger und H kamen überein, dass der Kläger aus dem Vermögen der A-KG Geld an H zahlt, damit sich H dafür einsetzt, dass die E-GmbH Aufträge an die A-KG vergibt. H zahlte ab dem Streitjahr 2011 einen Teil der von der A-KG an ihn geleisteten Zahlungen an den Kläger zurück. Das Finanzamt erfasste die von H an den Kläger geleisteten Zahlungen als sonstige Einkünfte des Klägers im Streitjahr 2011.

Entscheidung: Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) gab der Klage statt:

  • Sonstige Einkünfte sind zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige eine Leistung erbringt, die den anderen Einkunftsarten nicht zuzuordnen ist und die Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst. Die Zahlung an den Steuerpflichtigen muss als echte wirtschaftliche Gegenleistung durch die Leistung des Steuerpflichtigen veranlasst und ausgelöst sein.

  • Bei den Rückzahlungen von H an den Kläger handelte es sich um einen von vornherein vereinbarten Anteil des Klägers an den Bestechungsgeldern für H. Die an den Kläger durch H geleisteten Zahlungen setzten die vereinbarte Beuteteilung um. Damit handelte es sich nicht um eine Gegenleistung des H für eine Leistung des Klägers, sondern lediglich um den Anteil des Klägers an der „Beute“; die Beute waren die rechtswidrig aus dem Vermögen der A-KG geflossenen Gelder an H.

  • Der Kläger erzielte auch keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Denn der Kläger hat keine Leistung an H erbracht.

Hinweise: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesgerichtshofs sind Einnahmen, die durch Untreue oder Unterschlagung erlangt werden, in der Regel nicht steuerbar.

Als der Sachverhalt aufgedeckt wurde, wurde der Kläger von der A-KG im Jahr 2017 entlassen. Der Kläger verpflichtete sich in einem Vergleich vor dem Arbeitsgericht, die ihm von H geleisteten Zahlungen an die A-KG zurückzuzahlen. Er machte daher im Verfahren vor dem Finanzgericht hilfsweise geltend, die Rückzahlung an die A-KG im Jahr 2019 als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, hilfsweise als Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder als Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften zu berücksichtigen. Über die Hilfsanträge brauchte das FG nicht zu entscheiden, da es bereits die Steuerbarkeit der Zahlungen an den Kläger im Jahr 2011 verneinte.

Quelle: Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 02.5.2024 – 4 K 84/23, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. des BFH: VI B 42/24); NWB