Service Unternehmer

Folgen der Verwendung einer nicht manipulationsgeschützten Registrierkasse

15.05.2024 08:20

Verwendet der Unternehmer im Rahmen seiner Kassenführung ein älteres Kassensystem, das objektiv nicht gegen Manipulationen geschützt ist, so ist dies ein schwerwiegender formeller Buchführungsmangel, da keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Einnahmenaufzeichnungen gegeben ist. Dies rechtfertigt jedoch nicht zwingend eine Vollschätzung, wenn es sich um einen gängigen Registrierkassentyp handelt und eine tatsächliche Manipulation unwahrscheinlich ist.

Hintergrund: Eine Buchführung, auch Kassenführung, darf nicht manipuliert werden. Um Manipulationen an elektronischen Registrierkassen und PC-Kassen zu verhindern, gibt es seit dem 1.1.2020 die Pflicht, eine sog. zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung, die in der elektronischen Registrierkasse verbaut wird, zu verwenden.

Sachverhalt: Der Kläger betrieb ein Restaurant und ermittelte seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung. Den größeren Teil seiner Umsätze in den Streitjahren 2011 bis 2014 erzielte er durch Außer-Haus-Lieferungen. Seit 1999 nutzte er eine elektronische Registrierkasse einfacher Bauart (Modell SKS TS 400), die von 1987 bis 2002 vertrieben wurde und in Deutschland sehr gängig war. Die in den Jahren 1987 und 1988 entwickelte Kassensoftware war in den Streitjahren 2011 bis 2014 nicht mehr manipulationssicher. Anhaltspunkte für eine Manipulation durch den Kläger gab es allerdings nicht. Wegen der Manipulierbarkeit der Kasse verwarf das Finanzamt die Aufzeichnungen des Klägers und ermittelte den Gewinn durch eine vollständige Schätzung.

Entscheidung: Der BFH hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen:

  • Die Verwendung einer nicht manipulationsgeschützten Registrierkasse ist ein schwerwiegender formeller Buchführungsmangel; denn es ist keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Einnahmenaufzeichnungen gegeben.

  • Aus diesem schwerwiegenden formellen Mangel folgt aber nicht zwingend die Berechtigung zu einer Vollschätzung durch das Finanzamt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie der Vertrauensschutz können dazu führen, dass der formelle Buchführungsmangel auf ein geringeres Maß zu reduzieren ist.

  • So ist zugunsten des Klägers der Vertrauensschutz zu berücksichtigen. Bis zum 31.12.2016 hat die Finanzverwaltung derartige Kassensysteme akzeptiert. Der Gesetzgeber hat die Pflicht, elektronische Registrierkassen und PC-Kassen mit einer sog. zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung auszustatten, erst zum 1.1.2020 eingeführt. In den Streitjahren 2011 bis 2014 durfte das vom Kläger verwendete Kassensystem aus Sicht der Finanzverwaltung also durchaus noch verwendet werden.

  • Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz spricht ebenfalls für den Kläger. Das Modell SKS TS 400 war ein weit verbreitetes Modell, dessen Manipulierbarkeit vorrangig nur dem Kassenhersteller und den Kassenhändlern bekannt war und sich erst Jahre nach dem Vertriebszeitraum herausgestellt hat. Es sprach daher eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit gegen eine konkrete Manipulation.

  • Hinzu kommt, dass der Kläger auch noch sonstige Aufzeichnungen geführt hat, aus denen sich die vollständige Erfassung seiner Einnahmen ergibt. So hat er etwa täglich den – nicht manipulierbaren – Gesamtspeicher ("Grand Total") auf den Tagesendsummenbons ausgedruckt. Ferner konnte der Kläger für alle Öffnungstage seines Restaurants fortlaufend nummerierte Tagesendsummenbons vorlegen.

Hinweise: Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang die von ihm festgestellten formellen und materiellen Fehler gewichten.

Der BFH konnte sich bei seiner technischen Einschätzung zu der verwendeten Kasse auf ein Gutachten eines Softwareentwicklers stützen, das im FG-Verfahren eingeholt worden war.

Das Urteil ist eine Grundsatzentscheidung, die für viele Unternehmer nachteilig ist. Denn der BFH bejaht in einem ersten Schritt einen schwerwiegenden formellen Buchführungsfehler, wenn der Unternehmer eine Kasse verwendet, die objektiv manipulierbar war bzw. irgendwann einmal manipulierbar wird. Der schwerwiegende formelle Buchführungsfehler besteht auch bei Unkenntnis des Unternehmers von der Manipulierbarkeit. Zwar schwächt der BFH die Bedeutung des Buchführungsfehlers in einem zweiten Schritt ab; das Risiko liegt nun aber beim Unternehmer, der z.B. prüfen muss, ob es sich um einen weit verbreiteten Kassentyp handelte, oder der zusätzliche Aufzeichnungen vorlegen muss, zu denen er gesetzlich gar nicht verpflichtet war.

Der BFH hat sich in dem Urteil auch noch zu Programmierprotokollen geäußert. Danach sind Veränderungen an den Einstellungen der Kasse durch Programmierprotokolle zu dokumentieren. Soweit es jedoch um die sog. Firmware der Kasse geht, also um die fest installierte Software, genügt grundsätzlich die Vorlage der Bedienungsanleitung. Allerdings sind Updates der Firmware zu protokollieren.

Quelle: BFH, Urteil vom 28.11.2023 - X R 3/22; NWB


Bezeichnung des Leistungsempfängers beim sog. Reverse-Charge-Verfahren

10.05.2024 08:37

Für die Verlagerung der Umsatzsteuerschuldnerschaft vom Unternehmer auf den Leistungsempfänger nach dem sog. Reverse-Charge-Verfahrens genügt es, wenn der Leistungsempfänger aufgrund der Angaben des Unternehmers hinreichend identifizierbar ist, sodass neben seiner Identität auch seine Unternehmereigenschaft überprüft werden kann. Es ist hingegen nicht erforderlich, dass der Leistungsempfänger eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.

Hintergrund: Im Umsatzsteuerrecht wird in bestimmten Fällen die Schuldnerschaft vom Unternehmer auf den Leistungsempfänger verlagert, sodass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet. So schuldet z.B. der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für eine Dienstleistung, die in Deutschland von einem in einem anderen EU-Staat ansässigen Unternehmer erbracht wird, sofern der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist.

Sachverhalt: Die Klägerin betrieb im Jahr 2015 einen Online-Marktplatz im EU-Ausland. Auf diesem Marktplatz verkauften sowohl Nichtunternehmer als auch Unternehmer Waren. Die Klägerin ließ sich von den Unternehmern die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angeben und überprüfte sie. Sofern die Klägerin feststellte, dass die angegebene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ungültig war oder dass der Verkäufer, der sich als Unternehmer bezeichnete, keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer angegeben hatte, überprüfte sie auf andere Weise dessen Unternehmereigenschaft: So nahm sie die Unternehmereigenschaft an, wenn der Verkäufer eine bestimmte Anzahl von Verkäufen oder aber eine bestimmte Umsatzhöhe erreicht hatte oder wenn er auf einer gewerblichen Plattform angemeldet war, die Nichtunternehmern nicht zugänglich war. Lag einer dieser drei Fälle vor, ging die Klägerin ebenfalls von einer Steuerschuldnerschaft des Verkäufers (Leistungsempfängers) aus. Im Jahr 2018 wurde die Klägerin auf eine in Deutschland ansässige GmbH verschmolzen. Das deutsche Finanzamt prüfte die Klägerin und lehnte eine Verlagerung der Umsatzsteuerschuldnerschaft in den Fällen ab, in denen eine USt-Steueridentifikationsnummer fehlte oder ungültig war, und verlangte von der Klägerin die Umsatzsteuer.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage im Grundsatz statt, verwies die Sache aber zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht (FG) zurück:

  • Die Klägerin erbrachte im Jahr 2015 eine in Deutschland steuerbare Leistung, indem sie ihren Nutzern auf elektronischem Weg den Zugang und die Nutzung des Online-Marktplatzes zur Verfügung stellte. Dienstleistungen eines Unternehmers an einen anderen Unternehmer werden grds. an dem Ort erbracht, von dem aus der andere Unternehmer (Leistungsempfänger) sein Unternehmen betreibt.

  • Die Verlagerung der Umsatzsteuerschuldnerschaft von der Klägerin auf ihre Kunden und Leistungsempfänger (Verkäufer auf dem Online-Marktplatz) setzt nach dem Gesetz voraus, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist.

  • Für den Nachweis der Unternehmereigenschaft ist es nach dem Gesetz nicht erforderlich, dass der Leistungsempfänger über eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügt oder diese verwendet. Entscheidend und ausreichend ist, dass der Leistungsempfänger Unternehmer ist und die Voraussetzungen eines Unternehmers erfüllt.

Hinweise: Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, das nun die Identität und Unternehmereigenschaft derjenigen Leistungsempfänger überprüfen muss, die keine oder keine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vorgelegt haben. Diese Überprüfung muss zumindest stichprobenartig erfolgen.

Sollte der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden können, geht dies zu Lasten der Klägerin, da sie die Feststellungslast trägt. Denn die Verlagerung ihrer Steuerschuldnerschaft wirkt sich zu ihren Gunsten aus.

Quelle: BFH, Urteil vom 31.1.2024 – V R 20/21; NWB


Irrtümliche Zuwendung einer GmbH als verdeckte Gewinnausschüttung

08.05.2024 09:09

Eine Vermögenszuwendung einer GmbH an ihren Gesellschafter ist keine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Irrtum unterlaufen ist. Für die Prüfung, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, ist es irrelevant, ob der Irrtum auch einem ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiter unterlaufen wäre.

Hintergrund: Eine Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung einer Kapitalgesellschaft, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und nicht zu einer offenen Gewinnausschüttung gehört, stellt eine verdeckte Gewinnausschüttung dar und erhöht das Einkommen der Kapitalgesellschaft. Ein typisches Beispiel für eine verdeckte Gewinnausschüttung ist ein überhöhtes Gehalt für den Gesellschafter-Geschäftsführer oder die Gewährung eines zinslosen Darlehens an den Gesellschafter.

Sachverhalt: B war Alleingesellschafterin der Klägerin, einer GmbH. Das Stammkapital wollte B durch Einbringung eines 100%igen Geschäftsanteils an der A-GmbH erbringen. Anlässlich der Einbringung sollte eine Kapitalerhöhung bei der A-GmbH durchgeführt werden. Nach entsprechender Beratung entschied sich B dafür, die Kapitalerhöhung erst nach der Einbringung des Geschäftsanteils an der A-GmbH in die Klägerin durchzuführen und nicht umgekehrt; die Kapitalerhöhung sollte also von der Klägerin als neue Gesellschafterin vorgenommen werden. Bei der Beurkundung vor dem Notar wurde aber von diesem Plan abgewichen, weil dem Notar ein vom ursprünglichen Entwurf abweichender Beschluss übermittelt wurde. B nahm nun selbst an der Kapitalerhöhung teil und erwarb den aufgrund der Kapitalerhöhung entstandenen Geschäftsanteil an der A-GmbH selbst, nicht jedoch die Klägerin. Das Finanzamt setzte eine verdeckte Gewinnausschüttung bei der Klägerin an und begründete dies damit, dass sie auf eine Teilnahme auf ihr Bezugsrecht unentgeltlich zugunsten des B verzichtet habe.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht für zwingend geboten und verwies die Sache an das Finanzgericht (FG) zur weiteren Sachaufklärung zurück:

  • Eine verdeckte Gewinnausschüttung verlangt u.a. eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung.

  • Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis kann aber nur gegeben sein, wenn die Kapitalgesellschaft einen Zuwendungswillen hatte. Ein Irrtum über die Vermögenszuwendung schließt eine verdeckte Gewinnausschüttung aus.

  • Bei der Prüfung, ob ein Irrtum vorlag, kommt es darauf an, ob konkret dem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Irrtum unterlaufen ist, hier also dem B als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin. Es ist nicht entscheidend, ob einem ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiter der Irrtum gleichfalls unterlaufen wäre.

Hinweise: Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang ermitteln, ob sich B als Geschäftsführer der B-GmbH bei dem Beschluss tatsächlich geirrt hat und versehentlich die Reihenfolge von Einbringung und Kapitalerhöhung vertauscht hat.

Zwar wird bei der Prüfung einer verdeckten Gewinnausschüttung grds. ein Vergleich mit dem Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers angestellt, z.B. wenn es um den sog. Fremdvergleich geht und damit um die Frage, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einen derartigen Vertrag abgeschlossen hätte. Bei einer Prüfung, ob ein Irrtum vorgelegen hat, ist dieser Vergleich jedoch nicht möglich. Denn der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsführer ist eine idealtypische Denkfigur, der alle Gegebenheiten des Geschäftsvorfalls kennt; er kann sich deshalb nicht in einem Irrtum befinden.

Quelle: BFH, Urteil vom 22.11.2023 – I R 9/20; NWB


Änderungen durch das Wachstumschancengesetz

07.05.2024 10:25

Nach langem Hin und Her wurde das sog. Wachstumschancengesetz nun doch noch Ende März 2024 verkündet. Nachfolgend haben wir die wichtigsten Änderungen für Sie zusammengefasst:

I. Änderungen für Unternehmer

1. Befristete Wiedereinführung der degressiven Abschreibung

Bisher war eine degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nur dann möglich, wenn das Wirtschaftsgut bis zum 31.12.2022 angeschafft oder hergestellt worden ist. Die degressive Abschreibung beträgt das Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung, die auf der Nutzungsdauer beruht; die degressive Abschreibung darf höchstens 25 % betragen.

Der Gesetzgeber lässt die degressive Abschreibung nun auch für solche beweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu, die nach dem und vor dem angeschafft oder hergestellt worden sind. In diesem Fall beträgt die degressive Abschreibung maximal das Doppelte der sog. linearen Abschreibung, die sich nach der Nutzungsdauer bemisst, und darf 20 % nicht übersteigen.

Hinweis: Die degressive Abschreibung ist nicht zulässig, wenn das Wirtschaftsgut nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.4.2024 angeschafft oder hergestellt worden ist.

2. Sonderabschreibung für kleine und mittlere Unternehmen

Unternehmer, deren Gewinn 200.000 € nicht übersteigt, können bislang unter bestimmten Voraussetzungen eine einmalige Sonderabschreibung von 20 % auf abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wie z. B. Maschinen vornehmen, und zwar zusätzlich zur regulären Abschreibung, die von der Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts abhängig ist. Für Wirtschaftsgüter, die nach dem angeschafft oder hergestellt werden, wird die Sonderabschreibung von 20 % auf 40 % nun verdoppelt.

Zu beachten ist ferner die geänderte Abschreibung für neu gebaute Mietwohnungen, die auch für Unternehmer gilt, wenn sich die Wohnungen im Betriebsvermögen befinden, weil sie z. B. an Arbeitnehmer vermietet werden (zu den Einzelheiten s. unten unter „Vermieter“).

3. Verbesserung bei der sog. Thesaurierungsbesteuerung

Einzelunternehmen und Personengesellschaften haben die Möglichkeit, eine sog. Thesaurierungsbesteuerung zu wählen. Der nicht entnommene, also thesaurierte Gewinn wird dann mit 28,25 % besteuert. Allerdings kommt es zu einer Nachversteuerung mit einem Steuersatz von 25 %, sobald der Gewinn entnommen wird.

Ab 2024 wird das begünstigt besteuerte Thesaurierungsvolumen dadurch erhöht, dass der begünstigungsfähige Gewinn um die steuerlich nicht als Betriebsausgabe abziehbare Gewerbesteuer und um die nicht absetzbare Einkommensteuer, die entnommen wird, damit die „Thesaurierungssteuer“ an das Finanzamt gezahlt werden kann, erhöht wird.

4. Änderung bei der Dienstwagenbesteuerung

Werden betriebliche Elektrofahrzeuge privat genutzt, muss für die Privatnutzung eine Entnahme versteuert werden. Bei einer betrieblichen Nutzung von mehr als 50 % kann die Entnahme mit 0,25 % des Bruttolistenpreises (zzgl. Kosten der Sonderausstattung und einschließlich Umsatzsteuer) monatlich bewertet werden.

Diese günstige Bewertung setzte bislang voraus, dass der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs 60.000 € nicht übersteigt. Diese Grenze wird für reine Elektrofahrzeuge, die nach dem angeschafft werden, auf 70.000 € erhöht (ursprünglich war eine Erhöhung auf 80.000 € geplant).

Hinweis: Entscheidet sich der Unternehmer für die Bewertung der Entnahme nach der sog. Fahrtenbuchmethode, wirkt sich die Erhöhung der zulässigen Anschaffungskosten bei reinen Elektrofahrzeugen ebenfalls günstig aus, weil dann nur 25 % der Anschaffungskosten bei den Kfz-Kosten berücksichtigt werden.

5. Betriebsausgabenabzug für Geschenke

Geschenke an Geschäftsfreunde waren bislang bis zur Höhe von 35 € / Empfänger im Wirtschaftsjahr abziehbar. Diese Freigrenze wird ab 2024 auf 50 € angehoben. Wie bisher gilt: Ist das Geschenk auch nur geringfügig teurer, sind die kompletten Ausgaben nicht abziehbar.

6. Erhöhung der Buchführungsgrenzen

Gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte sind steuerrechtlich zur Buchführung verpflichtet, wenn sie bestimmte Buchführungsgrenzen überschreiten. Der Gesetzgeber erhöht für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen, die bisherige Umsatzgrenze von 600.000 € auf 800.000 € und die bisherige Gewinngrenze von 60.000 € auf 80.000 €.

In gleicher Höhe werden auch die Grenzen für die handelsrechtliche Buchführungspflicht von Einzelkaufleuten angepasst. Steuerpflichtige Einzelkaufleute können dann unterhalb dieser Grenze auf eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung und vereinfachte Buchführung zurückgreifen. Diese Änderungen greifen ebenfalls für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen.

7. Erweiterung der umsatzsteuerlichen Ist-Versteuerung

Ab 2024 wird die Umsatzgrenze für die Anwendbarkeit der sog. Ist-Versteuerung von 600.000 € um 200.000 € auf 800.000 € erhöht.

8. Erleichterung für Kleinunternehmer

Ab 2024 sind Kleinunternehmer grundsätzlich nicht mehr zur Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung verpflichtet. Sie können allerdings – wie bisher auch – vom Finanzamt zur Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung aufgefordert werden. Auch besteht die Abgabepflicht z. B. weiterhin bei innergemeinschaftlichen Erwerben.

Hinweis: Kleinunternehmer sind Unternehmer, deren Umsatz im Vorjahr 22.000 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Sie müssen keine Umsatzsteuer abführen, können dann aber auch keine Vorsteuer gelten machen.

9. Option zur Körperschaftsteuer

Personenhandelsgesellschaften wie z. B. die OHG oder KG können auf Antrag zur Körperschaftsbesteuerung optieren und unterliegen dann lediglich einem Körperschaftsteuersatz von 15 % zuzüglich Gewerbesteuer, die bei Körperschaften grundsätzlich anfällt. Der Gesetzgeber erstreckt ab dem 28.3.2024 den Anwendungsbereich dieser Option auf alle Personengesellschaften, also insbesondere auch auf Gesellschaften bürgerlichen Rechts, wenn diese in einem Gesellschaftsregister eingetragen sind (sog. eGbR).

Die Option, die bis zum 30.11. für das Folgejahr zu beantragen ist, ist ab dem 28.3.2024 auch für neu gegründete Personengesellschaften möglich, die den Antrag dann innerhalb eines Monats nach Abschluss des Gesellschaftsvertrags stellen müssen, so dass die Option bereits für das laufende Wirtschaftsjahr gilt. Gleiches gilt für Personengesellschaften, die durch einen umwandlungsrechtlichen Formwechsel aus einer Körperschaft hervorgegangen sind und die für die Option einen Monat Zeit nach Anmeldung des Formwechsels beim Handelsregister haben, damit die Option bereits für das laufende Wirtschaftsjahr gilt.

10. Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen ab 2025

Nach bisheriger Rechtslage kann das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen und Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen befreien, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.000 € betragen hat. Dieser Betrag wird ab dem Besteuerungszeitraum 2025 auf 2.000 € erhöht. Ursprünglich sollte diese Regelung bereits für das Jahr 2024 gelten.

11. Elektronische Rechnung ab 2025

Der Gesetzgeber schreibt ab 2025 die Pflicht zur elektronischen Rechnung in einem sog. strukturiertem Format innerhalb von sechs Monaten nach Leistungserbringung vor, wenn die Leistung an einen anderen Unternehmer im Inland ausgeführt wird. Allerdings gibt es eine Übergangsregelung für Umsätze, die nach dem 31.12.2024 und vor dem 1.1.2027 ausgeführt werden, so dass bis zum 31.12.2026 eine Rechnung auf Papier und – bei Zustimmung des Rechnungsempfängers – auch in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden kann. Unternehmer, deren Gesamtumsatz im Jahr 2026 800.000 € nicht überschreitet, können sogar bis zum 31.12.2027 ihre Rechnungen auf Papier oder – mit Zustimmung des Rechnungsempfängers – in einem anderen elektronischen Format ausstellen.

II. Änderungen für Arbeitnehmer

Zum 1.1.2024 wird der Pauschbetrag für Berufskraftfahrer, die im Fahrzeug übernachten, von 8 € auf 9 € pro Tag erhöht. Dieser Betrag kann zusätzlich zur den Verpflegungspauschalen geltend gemacht werden.

III. Änderungen für Vermieter

Für Vermieter ergeben sich durch das Wachstumschancengesetz folgende wichtige Änderungen:

1. Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau

Der Anwendungsbereich der Sonderabschreibung für den Mietwohnungsneubau wurde verlängert. Danach können die Sonderabschreibungen – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – in Anspruch genommen werden, wenn durch Baumaßnahmen aufgrund eines nach dem und vor dem oder nach dem und vor dem (bisher ) gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige neue, bisher nicht vorhandene Wohnungen hergestellt werden

Für aufgrund eines nach dem 31.12.2022 und vor dem 1.10.2029 gestellten Bauantrags oder einer in diesem Zeitraum getätigten Bauanzeige hergestellte Wohnungen sind darüber hinaus auch die Baukostenobergrenze und die maximale Bemessungsgrundlage angehoben worden. Die maximalen Anschaffungs- oder Herstellungskosten betragen nunmehr 5.200 € (bislang 4.800 €) je qm Wohnfläche, die Bemessungsgrundlage beträgt nunmehr maximal 4.000 € (bisher 2.500 €) je qm Wohnfläche.

Hinweis: Die Sonderabschreibung ist rückgängig zu machen, wenn die Wohnung nicht zehn Jahre lang vermietet oder vorher verkauft oder die Baukostenobergrenze durch nachträgliche Baumaßnahmen überschritten wird.

2. Befristete Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude

Außerdem hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.1.2023 eine degressive Abschreibung für Wohngebäude i. H. v. 5 % eingeführt. Dies gilt für Wohngebäude in Deutschland oder in der EU bzw. im EWR (Island, Liechtenstein und Norwegen). Voraussetzung ist, dass mit der Herstellung des Gebäudes nach dem und vor dem begonnen wird oder dass das Gebäude nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 gekauft wird und der Nutzen- und Lastenwechsel bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung erfolgt ist. Bei einem Kauf muss die Fertigstellung also im selben Jahr wie der Nutzen- und Lastenwechsel erfolgen. Für den Beginn der Herstellung kommt es auf die Anzeige des Baubeginns an.

IV. Alle Steuerzahler

Mit Wirkung zum 1.1.2024 wird mit dem Wachstumschancengesetz die Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte von bislang 600 € auf 1.000 € angehoben. Bei zusammenveranlagten Ehegatten steht jedem Ehegatten die Freigrenze einzeln zu, sofern jeder von ihnen Veräußerungsgewinne erzielt hat. Bei einem auch nur geringfügig höheren Gewinn kommt die Freigrenze nicht zum Ansatz.

Verbesserung des Verlustausgleichs: Trotz Verlustvortrags droht eine Mindestbesteuerung, wenn ein Verlust von mehr als 1 Mio. € in ein Folgejahr vorgetragen und dort mit positiven Einkünften von mehr als 1 Mio. € verrechnet werden soll. Der Gesetzgeber sieht bislang nämlich eine Besteuerung von 40 % des Betrags, der 1 Mio. € übersteigt, vor. Dieser Mindestbesteuerungssatz wird nun bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer in den Jahren 2024 bis 2027 auf 30 % gesenkt.

V. Nicht umgesetzte Maßnahmen

U.a. die folgenden ursprünglich mit dem Wachstumschancengesetz geplanten Änderungen wurden nicht umgesetzt:

  • Erhöhung der Betragsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) von 800 € pro Wirtschaftsgut auf 1.000 €;

  • Abschaffung des Sammelpostens für GWG sowie – alternativ – die Abschreibung des Sammelpostens auf drei anstatt auf fünf Jahre;

  • Einführung einer Klimaschutzprämie, die gewährt werden sollte, wenn der Unternehmer bis zum 31.12.2029 Wirtschaftsgüter anschafft, die Teil eines sog. Einsparkonzepts sind und zur Verbesserung der Energieeffizienz dienen;

  • Erhöhung der Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen;

  • Erhöhung des Freibetrags für Betriebsveranstaltungen auf 150 €;

  • die Einführung einer Freigrenze von 1.000 € für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung;

  • Anhebung des Höchstbetrags, der im Wege des Verlustrücktrags in einem Vorjahr abgezogen werden kann, auf 10 Mio. € (20 Mio. €. bei zusammenveranlagten Ehegatten).

Ebenfalls nicht umgesetzt wurde eine ursprünglich geplante Meldepflicht für Steuergestaltungen im Inland sowie die Senkung des Durchschnittssatzes auf landwirtschaftliche Erzeugnisse auf 8,4 %; hier bleibt es nach derzeitigem Stand in diesem Jahr beim Durchschnittssatz von 9,0 %.

Quelle: Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz), BGBl. 2024 I Nr. 108; NWB


Umsatzsteuer-Umrechnungskurse (Stand: April 2024)

03.05.2024 13:29

Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat April 2024 bekannt gegeben.

Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2024 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.

Quelle: BMF, Schreiben v. 2.5.2024 - III C 3 - S 7329/19/10001 :006 (2024/0393963).; NWB


Gewerbesteuerliches Bankenprivileg für eine Konzernfinanzierungsgesellschaft

26.04.2024 09:42

Das gewerbesteuerliche Bankenprivileg steht einem Kreditinstitut zu, wenn seine Aktivposten aus Bankgeschäften und dem Forderungserwerb höher sind als die Aktivposten aus anderen Geschäften. Es ist nicht erforderlich, dass das Kreditinstitut mit den Bankgeschäften höhere Gewinne erzielt als mit den sonstigen Geschäften. Dies kann bis einschließlich 2019 zur Anwendbarkeit des Bankenprivilegs auf Konzernfinanzierungsgesellschaften führen, die neben der Konzernfinanzierung noch andere Dienstleistungen für den Konzern erbracht haben.

Hintergrund: Gewerbesteuerlich werden Zinsaufwendungen in einem bestimmten Umfang dem Gewinn hinzugerechnet und erhöhen damit die gewerbesteuerliche Belastung. Für Kreditinstitute gibt es das sog. Bankenprivileg. Bei ihnen werden unter bestimmten Voraussetzungen die Zinsaufwendungen nur insoweit hinzugerechnet, als die Schulden einen bestimmten Höchstbetrag, der sich u.a. aus den Immobilien, aus Beteiligungen und Forderungen zusammensetzt, übersteigen.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine Konzernfinanzierungsgesellschaft des B-Konzerns und erbrachte neben der Konzernfinanzierung, die Bankgeschäfte im Sinne der gesetzlichen Vorschriften darstellten, noch weitere Dienstleistungen für den Konzern, z.B. im Bereich der Buchhaltung oder der Personalüberlassung. Die Aktivposten aus den Bankgeschäften überstiegen zwar die Aktivposten aus den übrigen Geschäften; jedoch waren die Umsätze und Gewinne aus den übrigen Geschäften höher als die Umsätze und der Gewinn aus der Konzernfinanzierung. Das Finanzamt wandte das sog. Bankenprivileg bei der Gewerbesteuer für 2008 bis 2017 nicht an.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Die Klägerin war ein Kreditinstitut, für das das Bankenprivileg gilt. Denn es genügt, dass die Klägerin auch Bankgeschäfte getätigt hat; es ist nicht erforderlich, dass die Klägerin ausschließlich Bankgeschäfte getätigt hat.

  • Des Weiteren setzt das Bankenprivileg voraus, dass die Aktivposten aus den Bankgeschäften und Forderungen die Aktivposten aus den übrigen Geschäften überstiegen. Dies war in den streitigen Erhebungszeiträumen der Fall. Auf das Verhältnis der Gewinne und Umsätze aus den Bankgeschäften und aus den übrigen Geschäften kommt es seit einer Gesetzesänderung, die seit 1990 gilt, nicht an.

Hinweise: Das Bankenprivileg berücksichtigt den Umstand, dass bei Kreditinstituten der Einsatz von Fremdmitteln typischerweise besonders groß ist und dass Forderungen und Verbindlichkeiten bei einem Kreditinstitut in etwa gleich hoch sein werden.

Seit 2020 hat sich die Rechtslage geändert, da Konzernfinanzierungsgesellschaften seit 2020 nicht mehr vom Bankenprivileg profitieren können. Für reguläre Kreditinstitute gilt das Urteil auch für Zeiträume ab 2020; allerdings werden bei diesen die Gewinne und Umsätze aus Bankgeschäften in der Regel ohnehin höher sein als die Gewinne und Umsätze aus den übrigen Geschäften; ebenso werden die Aktivposten aus Bankgeschäften höher sein als die Aktivposten aus anderen Geschäften, so dass die Anwendung des Bankenprivilegs in der Praxis nicht streitig sein wird.

Quelle: BFH, Urteil vom 30.11.2023 – III R 55/20; NWB


Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags für 2000

22.04.2024 09:24

Der Bundesfinanzhof (BFH) hält den Solidaritätszuschlag auch hinsichtlich des Jahres 2000 für verfassungsgemäß und bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags.

Hintergrund: Seit 1995 wird ein Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % der festgesetzten Einkommensteuer erhoben, der den Finanzbedarf, der sich aus der Wiedervereinigung ergibt, abdecken soll. Der Solidaritätszuschlag ist keine Steuer, sondern eine sog. Ergänzungsabgabe, deren Aufkommen dem Bund zusteht.

Sachverhalt: Die Kläger wehrten sich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für die Jahre 1999 bis 2002.

Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab:

  • Die Klage bezüglich der Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Jahr 1999 sowie für 2001 und 2002 war bereits unzulässig, da sich die Kläger gegen Änderungsbescheide gewehrt hatten, in denen der Solidaritätszuschlag für 1999 sowie 2001 und 2002 herabgesetzt worden war. Da die vorherige Festsetzung bereits bestandskräftig geworden war, bestand keine Klagebefugnis mehr gegen die Änderungsbescheide.

  • Die Klage gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Jahr 2000 war hingegen zulässig, aber unbegründet. Denn der Solidaritätszuschlag ist verfassungsgemäß.

  • Der Solidaritätszuschlag verstößt weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch gegen die allgemeine Eigentumsgarantie des Grundgesetzes.

  • Der Solidaritätszuschlag ist auch nicht unverhältnismäßig, da seine Höhe lediglich 5,5 % der festgesetzten Einkommensteuer beträgt.

Hinweise: Der BFH verweist auf seine bisherige Rechtsprechung, die die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags für 2005, 2007, 2011 und bis 2021 betrifft.

Auch wenn der BFH bislang alle Klagen gegen den Solidaritätszuschlag abgewiesen hat, besteht durchaus Hoffnung, dass der Solidaritätszuschlag nicht mehr allzu lange Bestand haben wird. Denn der BFH macht – wie in einer vorherigen Entscheidung, die das Jahr 2021 betraf – erneut deutlich, dass der Solidaritätszuschlag als sog. Ergänzungsabgabe kein dauerhaftes Instrument der Steuerumverteilung sein darf. Da der Solidaritätszuschlag 1995 eingeführt wurde, könnte jedenfalls nach 30 Jahren, d.h. ab 2025, eine Aufhebung in Betracht kommen; in einer früheren Entscheidung hat der BFH nämlich ausgeführt, dass ein Zeitraum von bis zu 30 Jahren als ausreichend für die Bewältigung der historischen Aufgabe der Wiedervereinigung erscheint.

Beim Bundesverfassungsgericht ist derzeit noch ein Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags anhängig, das im Jahr 2020 von Bundestagsabgeordneten der FDP eingeleitet worden ist, die den Solidaritätszuschlag für verfassungswidrig halten.

Quelle: BFH, Urteil vom 20.2.2024 - IX R 27/23 (II R 27/15); NWB


Werbungskostenabzug eines Influencers

16.04.2024 11:06

Ein Influencer, der im Internet einen Mode- und Lifestyleblog betreibt, kann seine Kosten für den Erwerb von Handtaschen, Kleidung und Kosmetik nicht absetzen. Denn hierbei handelt es sich um Kosten der privaten Lebensführung.

Hintergrund: Nach dem Gesetz sind Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, nicht absetzbar, auch wenn die Aufwendungen zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Sachverhalt: Die Klägerin betrieb im Internet, insbesondere in den sog. sozialen Medien, einen Blog zum Thema Lifestyle; außerdem war sie als Influencerin tätig und bewarb Produkte. In den Jahren 2014 bis 2017 erzielte sie jährliche Gewinne von bis zu ca. 80.000 €. Sie machte 40 % ihrer Kosten für Kleidung, Kosmetik und Handtaschen als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt erkannte den Betriebsausgabenabzug nicht an.

Entscheidung: Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der Betriebsausgabenabzug setzt voraus, dass die Aufwendungen betrieblich veranlasst sind und nicht oder allenfalls in unbedeutendem Maße der privaten Lebensführung zuzurechnen sind.

  • Die Kosten für die Kleidung waren nicht betrieblich veranlasst. Vielmehr handelte es sich um bürgerliche Kleidung, die steuerlich nicht abgesetzt werden kann. Denn Kleidung wird grds. aus privaten Gründen getragen.

  • Etwas anderes gilt für typische Berufskleidung wie z.B. Uniformen, Kleidung mit Firmenemblemen oder aber Schutzkleidung; diese Voraussetzungen waren im Streitfall aber nicht erfüllt. Allein ein höherer Preis für die Kleidung führt nicht zur Annahme von typischer Berufskleidung. Zudem sind die von der Klägerin erworbenen Kleidungsmarken wie Chanel, Louis Vuitton oder Gucci nicht für die Herstellung von Berufsbekleidung bekannt.

  • Auch die Handtaschen und die Kosmetik sowie Mode-Accessoires sind dem privaten Bereich zuzuordnen, da derartige Produkte üblicherweise privat getragen werden und keinen typischen Berufscharakter haben.

  • Die Klägerin hat auch keine Kooperationsverträge mit ihren Kunden vorgelegt, nach denen sie verpflichtet gewesen wäre, die von ihr erworbenen Kleidungsstücke sowie Kosmetik und Accessoires einzusetzen.

Hinweise: Sofern Kleidung keinen typischen Berufscharakter aufweist, wie dies bei Uniformen, Schutzkleidung oder Kleidung mit Firmenaufdruck der Fall ist, ist sie steuerlich grundsätzlich nicht absetzbar. Dies zeigt auch das aktuelle Urteil. Allein der Umstand, dass die Kleidung tatsächlich überwiegend beruflich getragen wird, führt nicht zur Absetzbarkeit. Der BFH hat vor kurzem z.B. den schwarzen Anzug eines Trauerredners nicht als Betriebsausgaben anerkannt.

In einem Zeitungsinterview hatte die Klägerin auf die Frage, was sie als erstes retten würde, falls ihr Haus in Flammen stehe, geantwortet, dass sie ihre Familie und ihre Handtaschen retten würde und ihr alles andere egal sei. Diese subjektive Bedeutung der Handtaschen für die Klägerin ist steuerlich indes unbeachtlich.

Quelle: Niedersächsisches FG, Urteil vom 13.11.2023 – 3 K 11195/21; NWB


Folgen von zu Unrecht in Rechnung gestellter Umsatzsteuer

12.04.2024 08:18

Das Bundesfinanzministerium (BMF) wendet die gesetzliche Regelung, nach der eine überhöht oder zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden muss, nicht an, wenn es um eine Rechnung an einen Endverbraucher geht. Denn ein Endverbraucher ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, sodass das Steueraufkommen durch die fehlerhafte Rechnung nicht gefährdet wird.

Hintergrund: Weist ein Unternehmer in einer Rechnung einen höheren Umsatzsteuerbetrag gesondert aus, als er nach dem Gesetz schuldet, muss er den ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag an das Finanzamt abführen. Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Unternehmer eine Lieferung von Obst, die mit 7 % ermäßigt besteuert wird, in der Rechnung einer Umsatzsteuer von 19 % unterwirft. Das Gleiche gilt, wenn ein Nicht-Unternehmer Umsatzsteuer gesondert in Rechnung stellt oder wenn eine Rechnung mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer ausgestellt wird, obwohl gar keine Leistung erbracht worden ist.

Wesentlicher Inhalt des aktuellen BMF-Schreibens:

Das BMF folgt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Der EuGH hat in einem österreichischen Fall eine Pflicht zur Abführung überhöht ausgewiesener Umsatzsteuer abgelehnt, wenn es sich um eine Rechnung an einen Endverbraucher handelt. In diesem Fall wird das Steueraufkommen nämlich nicht gefährdet, da der Endverbraucher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Diese Grundsätze gelten dem BMF zufolge auch für Deutschland und auch in Fällen, in denen ein Kleinunternehmer unberechtigt Umsatzsteuer ausweist.

Darüber hinaus bleibt es bei der Pflicht, überhöht oder unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen:

  • So ist die in einer Rechnung gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen, wenn ein Unternehmer außerhalb seines Unternehmens tätig wird, wenn er gar keine Leistung erbringt oder wenn ein Nicht-Unternehmer tätig wird.

  • Ist der Rechnungsempfänger kein Endverbraucher, sondern ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung in Rechnung gestellt worden ist, besteht in jedem Fall die Pflicht zur Abführung der überhöht oder unberechtigt ausgewiesenen Umsatzsteuer. Denn dann ist das Steueraufkommen gefährdet, ohne dass es darauf ankommt, ob die Vorsteuer tatsächlich geltend gemacht wird. Die Abführungspflicht besteht also auch dann, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist, der grds. nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, weil er ein sog. Kleinunternehmer ist, oder ein Landwirt ist, der seine Umsätze der sog. Durchschnittssatzbesteuerung unterwirft, oder ein Unternehmer ist, der umsatzsteuerfreie Ausgangsumsätze erzielt, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Hinweise: Bislang hat der Bundesfinanzhof die Regelung über die Abführung überhöhter oder unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer auch bei Rechnungen an Endverbraucher angewendet. Angesichts der aktuellen Rechtsprechung des EuGH sowie des aktuellen BMF-Schreibens dürfte diese BFH-Rechtsprechung keine Bedeutung mehr haben.

Die Beweislast dafür, dass ein überhöhter oder unberechtigter Steuerausweis vorliegt, liegt beim Finanzamt. Jedoch muss der Rechnungsaussteller nachweisen, dass der Leistungsempfänger Endverbraucher ist.

Quelle: BMF-Schreiben vom 27.2.2024 - III C 2 - S 7282/19/10001 :002; NWB


Pauschalsteuer bei Einladung in VIP-Loge

10.04.2024 10:15

Mietet ein Unternehmer VIP-Logen in einer Veranstaltungshalle an, die Konzerte und Sportveranstaltungen anbietet, und lädt er Geschäftsfreunde und Arbeitnehmer ein, führt dies bei den Eingeladenen zu steuerpflichtigen Einkünften, sodass der Unternehmer beantragen kann, die Steuer für die eingeladenen Geschäftsfreunde und Arbeitnehmer im Wege der sog. Pauschalsteuer von 30 % zu übernehmen. Ist im Logenpreis keine Bewirtung enthalten, kann der Logenpreis im Wege der Schätzung auf den Wert der Eintrittskarte, für den die Pauschalsteuer anfällt, und auf den Anteil der Werbung, für den bei Geschäftsfreunden keine Pauschalsteuer anfällt, aufgeteilt werden.

Hintergrund: Ein Unternehmer, der Geschäftsfreunden Geschenke oder Eintrittskarten zuwendet, kann für den Geschäftsfreund dessen Einkommensteuer pauschal übernehmen, wenn für den Geschäftsfreund das Geschenk oder die Einladung eine steuerpflichtige Einnahme darstellt. Die Pauschalsteuer beträgt 30 % zzgl. Solidaritätszuschlag. Entsprechendes gilt bei Zuwendungen an Arbeitnehmer, die zusätzlich zum vereinbarten Arbeitslohn geleistet werden, sofern die Zuwendung Arbeitslohn darstellt.

Sachverhalt: Die Klägerin war Unternehmerin und mietete 2012 bis 2014 eine VIP-Loge mit 12 Sitzplätzen in der größten Berliner Veranstaltungsarena an. Damit konnten alle Konzerte und Sportveranstaltungen in diesem Jahr besucht werden. Der Preis betrug ca. 130.000 € jährlich; eine Bewirtung war im Preis nicht enthalten, aber die Möglichkeit zur Werbung für das Unternehmen der Klägerin in der Loge und im Branchenbuch der Arena. Die Klägerin lud im streitigen Zeitraum 3.000 Geschäftspartner und 1.000 Arbeitnehmer zu den Veranstaltungen ein; ca. 1.300 Plätze blieben leer. Die eingeladenen Arbeitnehmer, die zur Geschäftsleitung der Klägerin gehörten, mussten die Funktion des Gastgebers ausüben und sich um den Gästeempfang und die Essensbestellungen sowie um die Werbung in der Loge kümmern.

Die Klägerin beantragte die Pauschalsteuer für die eingeladenen Geschäftsfreunde und Arbeitnehmer. Allerdings kürzte sie ihre Aufwendungen um 1/12, weil bei jeder Veranstaltung ein Sitzplatz auf den Gastgeber-Arbeitnehmer entfiel. Den verbleibenden Betrag teilte sie im Verhältnis von 4:3 auf die Werbung und auf die Eintrittskarte auf, sodass auf die Eintrittskarte 43 % des gekürzten Logenpreises entfielen, für den sie eine Pauschalsteuer nach § 37b EStG abführte. Das Finanzamt ging von einem Anteil des Werts der Eintrittskarte von 75 % aus und kürzte die Gesamtaufwendungen auch nicht um 1/12.

Entscheidung: Der BFH gab der Klage zum Teil statt:

  • Die Übernahme der Pauschalsteuer setzt neben dem Antrag der Klägerin voraus, dass die Zuwendung beim Empfänger zu steuerpflichtigen Einkünften führt. Dies war bezüglich der Geschäftsfreunde und hinsichtlich derjenigen Arbeitnehmer, die keine Gastgeberfunktion ausübten, zu bejahen. Bei denjenigen Arbeitnehmern aber, die die Funktion eines Gastgebers ausübten, war eine steuerpflichtige Einnahme zu verneinen. Denn sie suchten die Loge im ganz überwiegend betrieblichen Interesse der Klägerin auf.

  • Bemessungsgrundlage für die Pauschalsteuer sind die Aufwendungen der Klägerin einschließlich Umsatzsteuer. Es kommt daher auf den Wert der Eintrittskarte an. Dieser Wert war im Wege der Schätzung zu ermitteln, da der Vertrag mit der Arena keine Aufteilung der Kosten für die Loge auf die Eintrittskarte und auf die Werbung enthielt.

  • Die Kosten für die nicht belegten Plätze, die bei einzelnen Veranstaltungen frei blieben, gingen nicht in die Bemessungsgrundlage ein, da die leergebliebenen Plätze nicht zu einer Bereicherung der Geschäftsfreunde führten.

  • Der Wert der Eintrittskarte konnte mit dem Kartenpreis der obersten Preiskategorie geschätzt und um einen VIP-Zuschlag von 5 % für die Bewirtungsmöglichkeit am Platz und für den Vorteil eines separaten Einlasses sowie einer kostenlosen Garderobe erhöht werden.

  • Soweit die Loge Geschäftsfreunden überlassen worden ist, war aus dem so ermittelten Preis für die Eintrittskarte ein Werbeanteil herauszurechnen, für den keine Pauschalsteuer abzuführen war. Hier konnte die Schätzung des Finanzgerichts (FG) als Vorinstanz übernommen werden, das fehlerfrei einen Werbeanteil von netto ca. 33.000 € jährlich geschätzt hat.

  • Soweit die Loge Arbeitnehmern überlassen worden ist, die keine Gastgeberfunktion ausübten, war der Preis für die Eintrittskarte nicht um einen Anteil für den Werbeaufwand zu mindern; denn die Klägerin hat gegenüber ihren Arbeitnehmern nicht geworben.

Hinweise: Die Finanzverwaltung hat für die steuerliche Absetzbarkeit der Kosten für VIP-Logen eine Verwaltungsanweisung herausgegeben, nach der 40 % auf die Werbung, 30 % auf die Eintrittskarte und 30 % auf die Bewirtung entfallen. Das Finanzamt konnte sich auf diese Verwaltungsanweisung allerdings nicht stützen, weil im Streitfall keine Bewirtung im Logenpreis enthalten war. Das FG hat einen Prozentsatz von 40 % für die Werbung herangezogen und diesen modifiziert; der BFH hat diese Schätzung nicht beanstandet. Offen gelassen hat der BFH, ob er der Aufteilung der Finanzverwaltung folgen würde.

Der Fall macht deutlich, dass eine Dokumentation über die eingeladenen Personen hilfreich ist, um im Fall eines Antrags auf Übernahme der Pauschalsteuer deren Höhe niedrig zu halten.

Quelle: BFH, Urteil vom 23.11.2023 – VI R 15/21; NWB


Abzug der Vorsteuer aus der Rechnung des Konkursverwalters

09.04.2024 08:31

Die Vorsteuer aus der Rechnung des Konkursverwalters ist in voller Höhe abziehbar, wenn das Unternehmen seinen Betrieb noch vor der Eröffnung des Konkursverfahrens eingestellt hat und bis zur Einstellung nur umsatzsteuerpflichtige Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, erzielt hat. Hat der Konkursverwalter während des Konkursverfahrens umsatzsteuerfreie Vermietungsumsätze getätigt, steht dies dem Abzug der Vorsteuer aus seiner Rechnung also nicht entgegen.

Hintergrund: Der Vorsteuerabzug ist nicht möglich, soweit der Unternehmer umsatzsteuerfreie Vermietungsumsätze erzielt. Erzielt er auch umsatzsteuerpflichtige Vermietungsumsätze, muss die Vorsteuer aufgeteilt werden und ist nur anteilig abziehbar.

Sachverhalt: Die K-KG stellte im Juli 1997 einen Antrag auf Eröffnung des gerichtlichen Vergleichserfahrens zur Abwendung des Konkurses. Die K-KG hatte bis zu diesem Zeitpunkt nur umsatzsteuerpflichtige Umsätze erzielt und ihren Betrieb eingestellt. Das Vergleichsverfahren scheiterte, und im April 2001 wurde das Anschlusskonkursverfahren eröffnet. Der Kläger war Konkursverwalter und wurde nun zum Konkursverwalter der K-KG bestellt. Während des Konkursverfahrens vermietete er die Gebäude der K-KG umsatzsteuerfrei. In seiner Rechnung für seine Tätigkeit als Konkursverwalter aus dem Juli 2014 stellte er Umsatzsteuer in Rechnung, die er in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter in der Umsatzsteuererklärung der K-KG für 2014 als Vorsteuer geltend machte; weitere Angaben enthielt die Umsatzsteuererklärung 2014 nicht. Das Finanzamt erkannte die Vorsteuer nur anteilig an, weil die K-KG auch umsatzsteuerfreie Vermietungsumsätze erzielt hatte.

Entscheidung: Der BFH erkannte den Vorsteuerabzug in voller Höhe an und gab der Klage statt:

  • Grundsätzlich kann der Unternehmer die ihm für sein Unternehmen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen, wenn eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt und soweit der Unternehmer keine umsatzsteuerfreien Umsätze, die zum Vorsteuerabzug nicht berechtigen, ausgeführt hat.

  • Bei der Vorsteuer aus der Rechnung des Konkursverwalters kommt es allein auf die bis zur Konkurseröffnung getätigten Umsätze an. Denn die Tätigkeit des Konkursverwalters betrifft die angemeldeten Forderungen der Gläubiger; diese Forderungen gehen wiederum auf die frühere Umsatztätigkeit der K-KG zurück.

  • Da die früheren Umsätze der K-KG, d.h. bis zur Konkurseröffnung, ausschließlich umsatzsteuerpflichtig waren, ist der Vorsteuerabzug möglich. Die erst während des Konkursverfahrens erzielten umsatzsteuerfreien Vermietungsumsätze beeinträchtigen den Vorsteuerabzug nicht mehr.

Hinweise: Zwar gibt es seit dem 1.1.1999 an sich kein Konkursverfahren mehr, sondern nur noch ein Insolvenzverfahren. Sofern aber vor dem 1.1.1999 bereits ein konkursrechtliches Vergleichsverfahren beantragt worden war – wie im Streitfall im Juli 1997 –, wurde noch ein Konkursverfahren durchgeführt.

Das Urteil gilt auch für das Insolvenzverfahren, wenn der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit bereits vor der Insolvenzeröffnung eingestellt hat. Auch dann kommt es nur auf die bis zu diesem Zeitpunkt getätigten Umsätze an. Der BFH lässt jedoch offen, ob dies auch dann gilt, wenn der Insolvenzverwalter das Unternehmen fortführt. Im Streitfall war eine Unternehmensfortführung ausgeschlossen, weil nach dem Konkursrecht eine Fortführung nicht mehr möglich war, sondern es nur noch um die Verwertung des Vermögens der K-KG ging. Im Insolvenzrecht ist eine Unternehmensfortführung jedoch möglich.

Quelle: BFH, Beschluss vom 23.11.2023 – V R 3/22; NWB


Gewinn aus Verkauf einer Mitarbeiterbeteiligung kein Arbeitslohn

08.04.2024 08:57

Der Gewinn aus dem Verkauf einer Mitarbeiterbeteiligung ist kein Arbeitslohn, wenn ein marktüblicher Verkaufspreis erzielt wurde. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Beteiligung verbilligt erworben hatte; jedoch kann der Vorteil aus dem verbilligten Erwerb ein steuerpflichtiger Arbeitslohn sein.

Hintergrund: Zum Arbeitslohn gehören neben dem laufend gezahlten Gehalt auch weitere Vorteile, die durch das Dienstverhältnis veranlasst sind.

Sachverhalt: Der Kläger war leitender Angestellter einer GmbH. Eine Investorengruppe erwarb die Anteile an der GmbH mittels einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft, der S. Die Investorengruppe bot dem Kläger eine Teilnahme an einem Managementbeteiligungsprogramm (MPP) an. Der Kläger nahm das Angebot an und erwarb im Jahr 2006 über eine neu gegründete Manager-KG, die Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielte, Anteile an der S. Im Jahr 2007 verkaufte die Manager-KG die Anteile an der S. Der Kläger erzielte hierdurch anteilig einen Gewinn, den das Finanzamt als Arbeitslohn im Veranlagungszeitraum 2007 besteuerte.

Entscheidung: Der BFH verneinte Arbeitslohn und gab der Klage statt:

  • Der Gewinn aus dem Verkauf der Anteile an der S durch die Manager-KG ist dem Kläger anteilig zuzurechnen. Denn die Manager-KG war eine sog. vermögensverwaltende Personengesellschaft, da sie Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielte, für die die sog. Bruchteilsbetrachtung gilt. Das heißt, jeder Gesellschafter ist steuerlich betrachtet anteilig an den von der Manager-KG gehaltenen Anteilen an der S und an dem von der Manager-KG erzielten Veräußerungserlös beteiligt.

  • Der durch den Verkauf erzielte Gewinn war jedoch kein Arbeitslohn. Denn der Gewinn war nicht durch das Arbeitsverhältnis veranlasst, sondern durch das Sonderrechtsverhältnis „Beteiligung“. Dieses Sonderrechtsverhältnis, d.h. die Beteiligung des Klägers an der Manager-KG, hatte einen eigenständigen wirtschaftlichen Gehalt und bestand neben dem Arbeitsverhältnis. Die Einnahmen, die aus dieser Beteiligung erzielt werden, haben mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers also nichts zu tun.

  • Ein lohnsteuerpflichtiger Vorteil wäre nur dann zu bejahen, wenn die Anteile an den Arbeitgeber oder an eine diesem nahestehende Person bzw. Gesellschaft veräußert worden wären und ein marktunüblicher Überpreis erzielt worden wäre. Dies war im Streitfall zu verneinen.

Hinweise: Die Entscheidung bedeutet nicht, dass der gesamte Vorgang nicht besteuert wird: Sollte der Kläger die Beteiligung im Jahr 2006 verbilligt erworben haben, läge darin ein lohnsteuerpflichtiger Vorteil, der im Jahr 2006 – also nicht im Streitjahr 2007 – versteuert werden müsste. Außerdem kann der Gewinn aus dem Verkauf der Anteile an der S nach anderen Vorschriften steuerpflichtig sein, z.B. als Gewinn aus Gewerbebetrieb bei einer wesentlichen Beteiligung von mindestens 1 %, wenn der einzelne Gesellschafter der Manager-KG mit mindestens 1 % mittelbar an der S beteiligt war, oder als Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Quelle: BFH, Urteil vom 14.12.2023 – VI R 1/21; NWB


Umsatzsteuer-Umrechnungskurse (Stand: März 2024)

04.04.2024 08:02

Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat März 2024 bekannt gegeben.

Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2024 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.

Quelle: BMF, Schreiben v. 2.4.2024 - III C 3 – S 7329/19/10001 :006 (2024/0272584); NWB


Keine Durchschnittssatzbesteuerung für die Lieferung landwirtschaftlicher Maschinen

03.04.2024 09:22

Die für Forst- und Landwirte mögliche Durchschnittssatzbesteuerung gilt nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie für landwirtschaftliche Dienstleistungen, nicht aber für die Lieferung landwirtschaftlicher Maschinen. Derartige Hilfsumsätze unterliegen grundsätzlich der Regelbesteuerung von 19 %.

Hintergrund: Landwirte, deren Umsatz im Vorjahr 600.000 € nicht überschritten hat, können die sog. Durchschnittssatzbesteuerung anwenden. Ihre Leistungen unterliegen dann einer Umsatzsteuer von aktuell 9 % (im Streitjahr 2010 waren es 10,7 %). Im Gegenzug wird automatisch eine pauschale Vorsteuer von 9 % berücksichtigt (im Streitjahr 2010 ebenfalls 10,7 %). Ein weiterer Vorsteuerabzug ist nach dem Gesetz ausgeschlossen.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhielt und deren Gesellschafter K und H waren. Im Streitjahr 2010 vereinbarten K und H die Auflösung der Klägerin; die Wirtschaftsgüter sollten auf K und H im Wege der sog. Realteilung übergehen. Die Klägerin stellte dem K eine Rechnung über die ihm zugewiesenen Wirtschaftsgüter aus und wies dabei die nach der Durchschnittssatzbesteuerung im Jahr 2010 geltende Umsatzsteuer von 10,7 % gesondert aus. Das Finanzamt ging zwar von einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung aus (Übertragung eines Betriebs gegen Aufgabe von Gesellschaftsanteilen), forderte von der Klägerin aber die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer, weil diese zu Unrecht ausgewiesen worden war. Hiergegen klagte die Klägerin.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab:

  • Die Klägerin musste jedenfalls nach der gesetzlichen Regelung über zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Denn selbst wenn es sich um eine Geschäftsveräußerung gehandelt haben sollte, die nach dem Gesetz nicht umsatzsteuerbar gewesen wäre, wäre die Umsatzsteuer jedenfalls deshalb entstanden, weil die Klägerin sie gesondert und – bei fehlender Umsatzsteuerbarkeit wegen einer Geschäftsveräußerung – unberechtigt ausgewiesen hat.

  • Die Klägerin musste die von ihr gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen, obwohl die Klägerin aufgrund der Auflösung und Realteilung zivilrechtlich nicht mehr existierte. Denn umsatzsteuerlich besteht sie so lange fort, wie das Finanzamt noch Umsatzsteueransprüche gegen sie geltend macht. Daher kann sie sich jetzt auch noch gerichtlich gegen die Umsatzsteuerfestsetzung wehren.

  • Der Klägerin stand im Rahmen der für Landwirte geltenden Durchschnittssatzbesteuerung kein automatischer Vorsteuerabzug in Höhe von ebenfalls 10,7 % zu. Denn die Durchschnittssatzbesteuerung gilt nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie für landwirtschaftliche Dienstleistungen, nicht aber für die Lieferung landwirtschaftlicher Maschinen, wie sie im Streitfall an K erfolgt ist. Damit scheidet der automatische Vorsteuerabzug in Höhe der Umsatzsteuer für die Lieferung aus.

Hinweise: Bislang gab es keine einheitliche Rechtsprechung des BFH zur Anwendbarkeit der Durchschnittssatzbesteuerung auf sog. Hilfsumsätze, bei denen landwirtschaftliche Maschinen geliefert werden. Bejaht man die Anwendbarkeit, kann zum einen der niedrigere Umsatzsteuersatz von aktuell 9 % auf die Lieferung angewendet und zum anderen in gleicher Höhe eine Vorsteuer abgezogen werden, sodass sich für den Landwirt keine steuerliche Belastung ergibt. Der BFH verneint die Anwendbarkeit aber, sodass die Lieferung landwirtschaftlicher Maschinen außerhalb einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung dem regulären Umsatzsteuersatz von 19 % unterliegt und kein automatischer Vorsteuerabzug möglich ist.

Wechselt ein Land- oder Forstwirt von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung, ist eine Vorsteuerberichtigung zu seinen Gunsten möglich. Im Streitfall hätte sich hieraus jedoch kein Klageerfolg für die Klägerin ergeben, da sie im Fall der Regelbesteuerung ihre Rechnung an K mit einer Umsatzsteuer von 19 % anstatt von 10,7 % hätte ausstellen müssen.

Quelle: BFH, Urteil vom 17.8.2023 – V R 3/21; NWB


Finanzverwaltung äußert sich zur Vorsteueraufteilung nach dem Gesamtumsatzschlüssel

02.04.2024 08:51

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat sich zur Aufteilung der Vorsteuer nach dem Gesamtumsatzschlüssel geäußert. Das Schreiben des BMF enthält insbesondere Ausführungen zur Anwendbarkeit des Gesamtumsatzschlüssels sowie zu den Umsätzen, die bei der Berechnung zu Grunde zu legen sind.

Hintergrund: Verwendet der Unternehmer eine Eingangsleistung, die an ihn erbracht wird, sowohl für umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch für umsatzsteuerfreie Umsätze, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist die Vorsteuer nur anteilig abziehbar, soweit sie nämlich auf die umsatzsteuerpflichtigen Umsätze entfällt. Die Vorsteuer muss daher aufgeteilt werden. Ein zulässiger Aufteilungsschlüssel ist der Gesamtumsatzschlüssel, zu dem sich nun das BMF äußert.

Wesentlicher Inhalt des BMF-Schreibens:

  • Der Gesamtumsatzschlüssel ergibt sich aus dem Verhältnis aller zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze einschließlich der Entnahmen zum Gesamtumsatz des Unternehmers.

  • Subventionen werden ebenfalls berücksichtigt, wenn sie unmittelbar mit dem Preis der Leistung zusammenhängen und damit zur Gegenleistung gehören. Bei sog. Differenzgeschäften, bei denen nur die Differenz der Umsatzsteuer unterworfen wird (z.B. beim Verkauf von Gebrauchtwagen durch einen Kfz-Händler), geht der Verkaufspreis abzüglich Umsatzsteuer in die Aufteilung ein und nicht nur die Differenz.

  • Unberücksichtigt bleiben insbesondere Einfuhren, innergemeinschaftliche Erwerbe (Lieferungen in der EU), Umsätze aus dem Verkauf von ertragsteuerlichem Anlagevermögen, aus Geschäftsveräußerungen oder Hilfsumsätze aus Grundstücks- oder Finanzgeschäften.

  • Der Gesamtumsatzschlüssel ist nur dann anzuwenden, wenn er präziser ist als andere Aufteilungsschlüssel wie z.B. der Flächenschlüssel oder der sog. objektbezogene Umsatzschlüssel. Kommen neben dem Gesamtumsatzschlüssel mehrere andere präzisere Aufteilungsschlüssel in Betracht, ist nicht zwingend die präziseste Methode anzuwenden. Die Auswahl obliegt hierbei dem Unternehmer.

  • Der sich nach dem Gesamtumsatzschlüssel ergebende prozentuale Anteil der abziehbaren Vorsteuer kann auf volle Prozentpunkte aufgerundet werden.

Hinweise: Das aktuelle BMF-Schreiben gilt in allen noch offenen Fällen.

In der Praxis sind zwei andere Aufteilungsmethoden häufig relevanter: Dies ist zum einen der sog. objektbezogene Umsatzschlüssel, bei dem nur die umsatzsteuerpflichtigen Mieten und umsatzsteuerfreien Mieten aus einer konkreten Immobilie berücksichtigt werden, wenn die an den Unternehmer erbrachte Eingangsleistung nur diese Immobilie betrifft. Zum anderen ist dies der Flächenschlüssel, bei dem sich die Aufteilung nach dem Verhältnis der umsatzsteuerpflichtig vermieteten Flächen der Immobilie zur Gesamtfläche der Immobilie richtet, wenn es um eine Eingangsleistung für diese konkrete Immobilie geht.

Quelle: BMF-Schreiben vom 13.2.2024 – III C 2 – S 7306/22/10001 :001; NWB


Bilanzierung eines sog. Beteiligungsbetrags beim Leasing-Restwertmodell

28.03.2024 08:35

Ein Kfz-Händler darf einen sog. Beteiligungsbetrag, den er im Rahmen eines Leasing-Restwertmodells an den Kfz-Hersteller entrichten muss, damit dieser das Restwertrisiko bei der späteren Rücknahme des verleasten Kfz trägt, nicht passivieren. Denn die Verpflichtung des Kfz-Händlers ist nur aufschiebend bedingt, weil bei Abschluss des Leasing-Vertrags und der Restwert-Absicherung noch nicht feststeht, ob es zu der späteren Rücknahme des Kfz kommt. Für die Verpflichtung zur Entrichtung des Beteiligungsbetrags kann auch keine Rückstellung passiviert werden, da sog. schwebende Geschäfte nicht bilanziert werden dürfen.

Hintergrund: Ein Kaufmann muss für betriebliche Verpflichtungen, die vom Gläubiger erzwungen werden können und die am Bilanzstichtag eine gegenwärtige wirtschaftliche Belastung darstellen, Verbindlichkeiten passivieren. Ist die Höhe der Verpflichtung nicht bekannt, ist eine Rückstellung zu passivieren.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die einen Kfz-Handel betrieb. Sie nahm seit 2009 an einem vom Kfz-Hersteller A entwickelten Leasing-Restwertmodell teil. Bei diesem Modell vermittelte die Klägerin ein Kfz an den Kunden durch Leasingvertrag und veräußerte das Kfz sodann an die Leasinggesellschaft B. Die Klägerin verpflichtete sich, das Kfz am Ende des Leasingvertrags zu einem vorab vereinbarten Kaufpreis von B zurückzunehmen. Hieraus ergab sich ein Restwertrisiko, weil der tatsächliche Restwert niedriger sein konnte als der vorab festgelegte Kaufpreis. Um dieses Restwertrisiko abzusichern, schloss die Klägerin im Streitjahr 2013 mit A eine Restwert-Absicherung ab, sodass A eine etwaige Differenz gegenüber der Klägerin ausgleichen musste. Hierfür musste die Klägerin aber am Ende des Leasingvertrags einen sog. Beteiligungsbetrag an A entrichten. Die Klägerin passivierte bereits zu Beginn des Leasingvertrags den Beteiligungsbetrag als Verbindlichkeit, sodass sich zum 31.12.2013 eine entsprechende Gewinnminderung ergab. Die Klägerin löste die Verbindlichkeit nach Ablauf des Leasingvertrags auf. Das Finanzamt erkannte die zum 31.12.2013 gebildete Verbindlichkeit nicht an und erhöhte den Gewinn des Jahres 2013.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Eine Passivierung als Verbindlichkeit war nicht vorzunehmen, weil die Verpflichtung zur Entrichtung des Beteiligungsbetrags eine aufschiebend bedingte Verpflichtung darstellte; aufschiebend bedingte Verbindlichkeiten dürfen generell nicht passiviert werden, sondern erst mit dem Eintritt der Bedingung. Die Klägerin musste den Beteiligungsbetrag nämlich nur dann zahlen, wenn B als Leasinggesellschaft ihr Rückgaberecht ausübte und die Klägerin zur Rücknahme des Kfz aufforderte. Hingegen entfiel der Beteiligungsbetrag, wenn der Leasingvertrag vorzeitig aufgehoben oder storniert wurde.

  • Die Klägerin durfte zum 31.12.2013 auch keine Rückstellung bilden. Denn bei der Vereinbarung über die Restwert-Absicherung zwischen der Klägerin und A handelte es sich um ein schwebendes Geschäft, weil die Vereinbarung am 31.12.2013 weder von der Klägerin, die erst bei Beendigung des Leasingvertrags zahlen musste, noch von A, die erst bei Rücknahme des Kfz einen etwaigen Minderwert ausgleichen musste, erfüllt war. Bei schwebenden Geschäften gilt der Grundsatz, dass sie sich im Wert ausgleichen, sodass eine Bilanzierung während des Schwebezustands nicht zulässig ist.

Hinweise: Der Beteiligungsbetrag ist damit erst bei Zahlung in der Buchführung zu erfassen. Er dürfte dann zu den Anschaffungskosten des rückerworbenen Kfz führen und mindert damit einen späteren Veräußerungsgewinn beim Verkauf des rückerworbenen Kfz.

Hätte die Klägerin den Beteiligungsbetrag bereits zu Beginn des Restwert-Absicherungsvertrags entrichtet, hätte sie ein immaterielles, nicht abnutzbares Wirtschaftsgut „Restwertabsicherung“ aktivieren müssen, dass beim Rückerwerb des Kfz hätte aufgelöst werden müssen.

Quelle: BFH, Urteil vom 13.9.2023 – XI R 20/20; NWB


Aufwendungen einer GmbH für ein TV-Abo sowie einen Oldtimer

27.03.2024 07:59

Die Aufwendungen einer GmbH für einen Oldtimer Ferrari Dino, der vom Gesellschafter-Geschäftsführer genutzt werden kann, sowie für ein Sky-Abonnement, das auch mobil genutzt werden kann, mindern das Einkommen nicht, sondern sind als verdeckte Gewinnausschüttungen bzw. als nicht abziehbare Betriebsausgaben zu behandeln.

Hintergrund: Aufwendungen einer Kapitalgesellschaft, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, sind als verdeckte Gewinnausschüttungen dem Einkommen der GmbH hinzuzurechnen. Die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist dann gegeben, wenn die Leistung nicht fremdüblich ist und damit dem sog. materiellen Fremdvergleich nicht entspricht. Neben dem materiellen Fremdvergleich gibt es noch den formellen Fremdvergleich: Danach bedürften Vereinbarungen zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter einer im Voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung, die auch tatsächlich durchgeführt wird.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH, die im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit tätig war. Ihr Alleingesellschafter war A. Die Klägerin abonnierte das Abonnement „Sky plus“ zum Preis von ca. 350 € netto jährlich. Das Abonnement umfasste sowohl Nachrichtenkanäle als auch Unterhaltungs- und Sportkanäle und konnte auch mobil genutzt werden. Außerdem erwarb die Klägerin einen Oldtimer Ferrari Dino, der von A auch privat genutzt werden konnte; die jährliche Laufleistung belief sich auf ca. 8.000 km. Ferner nutzte A noch einen Smart, der ihm als Dienstwagen überlassen worden war. Das Finanzamt behandelte die Kosten für das Sky-Abonnement sowie für den Ferrari als verdeckte Gewinnausschüttung und rechnete sie dem Einkommen der Klägerin hinzu.

Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Die Kosten für das Sky-Abonnement waren durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und daher als verdeckte Gewinnausschüttung zu erfassen. Denn das Sky-Abo wurde insbesondere von A genutzt und konnte trotz der im Abonnement enthaltenen Nachrichtenkanäle, die für die Kommunikationsbranche von Interesse sein könnten, auch privat genutzt werden; hierfür sprach die mobile Nutzungsfunktion.

  • Die Aufwendungen für den Oldtimer Ferrari Dino minderten ebenfalls nicht den Gewinn, da es sich um eine verdeckte Gewinnausschüttung handelte. Die Erfassung als verdeckte Gewinnausschüttung folgt daraus, dass die Aufwendungen ebenfalls durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst waren. Denn der Ferrari wurde von A privat genutzt, der ein privates Interesse an Autos hatte und Oldtimer-Veranstaltungen besuchte. Angesichts einer Fahrleistung von nur 8.000 km jährlich wird der Ferrari kaum als Dienstwagen genutzt worden sein. Das FG folgte dem Vorbringen der Klägerin nicht, dass der Ferrari bei Oldtimer-Veranstaltungen betrieblich eingesetzt worden sei, um Kunden zu werben. Zudem war auch der formelle Fremdvergleich nicht erfüllt, weil eine klare Regelung fehlte, ob dem A nur ein oder auch zwei Dienstwagen überlassen werden sollten und welche Fahrzeugklasse als angemessen anzusehen war. Nach dem Anstellungsvertrag war die Klägerin verpflichtet, “einen angemessenen Dienstwagen“ zu überlassen. Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer nutzte neben dem Ferrari auch noch einen Smart und damit zwei Dienstwagen.

  • Schließlich waren die Aufwendungen für den Ferrari auch nicht als Betriebsausgaben abziehbar, weil nach dem Gesetz Aufwendungen für die Jagd oder Fischerei, für Segeljachten oder Motorjachten sowie für ähnliche Zwecke nicht als Betriebsausgaben abziehbar sind. Die Nutzung eines Oldtimers ist vergleichbar mit der Nutzung einer Jacht und führt daher steuerlich nicht zu abziehbaren Betriebsausgaben.

Hinweise: Sowohl bei dem Abonnement für Sky als auch bei dem Ferrari Oldtimer überwog der private Bezug, da A beides in nicht unerheblichem Umfang privat nutzen konnte. Bei Oldtimern und Rennautos ist die Rechtsprechung in der Regel streng und lässt den Betriebsausgabenauszug nicht zu. Der Betriebsausgabenabzug kann nicht mit der Begründung erreicht werden, dass die Aufwendungen betrieblich veranlasst seien. Denn das Betriebsausgabenabzugsverbot erfasst ja gerade betrieblich veranlasste Aufwendungen und schließt den Abzug aus anderen Gründen aus, z.B. wegen einer sozial unangemessenen Repräsentation.

Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.9.2023 – 6 K 6188/19; NWB


Frist für umsatzsteuerliche Zuordnungsentscheidung bei gemischt-genutzten Wirtschaftsgütern

26.03.2024 15:16

Will ein Unternehmer ein gemischt-genutztes Wirtschaftsgut, das er also sowohl privat als auch unternehmerisch nutzt, vollständig seinem Unternehmen zuordnen, kann er die für die Zuordnung erforderliche Dokumentation bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Umsatzsteuererklärungen, die für steuerlich vertretene Unternehmer gilt, vornehmen. Nach dem Finanzgericht Köln (FG) gilt für die Dokumentation nicht die kürzere Abgabefrist für steuerlich nicht vertretene Unternehmer. Für ein im Jahr 2019 angeschafftes gemischt-genutztes Wirtschaftsgut konnte die Zuordnungsentscheidung daher bis zum 31.8.2021 getroffen und dokumentiert werden.

Hintergrund: Verwendet der Unternehmer einen Gegenstand sowohl für sein Unternehmen als auch privat, hat er umsatzsteuerlich ein sog. Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand entweder vollständig oder nur anteilig oder aber gar nicht seinem Unternehmen zuordnen und dementsprechend die Vorsteuer vollständig, anteilig oder gar nicht abziehen. Allerdings muss er bei einer vollständigen Zuordnung die Privatnutzung des Gegenstands der Umsatzsteuer unterwerfen. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) musste das Zuordnungswahlrecht bis zum Termin für die Abgabe der Umsatzsteuererklärung ausgeübt werden; dabei kam es für alle Unternehmer auf die Abgabefrist an, die für steuerlich nicht beratene Unternehmer gilt: bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2017 war dies der 31.5. des Folgejahrs.

Sachverhalt: Der durch einen Steuerberater steuerlich vertretene Kläger erwarb im Jahr 2019 eine Photovoltaikanlage; er nutzte den Strom sowohl privat als auch unternehmerisch. Er reichte am 11.3.2021 seine Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2019 ein und machte in dieser die Vorsteuer aus der Anschaffung der Photovoltaikanlage in vollem Umfang geltend. Das Finanzamt lehnte den Vorsteuerabzug mit der Begründung ab, dass die Zuordnungsentscheidung bis zum Ende der gesetzlichen Abgabefrist für steuerlich nicht vertretene Steuerpflichtige hätte erfolgen müssen; dies war für den Veranlagungszeitraum 2019 der 31.7.2020.

Entscheidung: Das FG Köln gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Dem Kläger stand ein Zuordnungswahlrecht zu, da er die Photovoltaikanlage sowohl privat als auch unternehmerisch nutzte. Er konnte dieses Zuordnungswahlrecht in der Weise ausüben, dass er die Photovoltaikanlage in vollem Umfang seinem Unternehmen zuordnet und damit die Vorsteuer in vollständiger Höhe abzieht.

  • Seine Zuordnungsentscheidung musste der Kläger dokumentieren. Diese Dokumentation konnte dadurch erfolgen, dass er den vollständigen Vorsteuerabzug in der Umsatzsteuerjahreserklärung geltend macht.

  • Die Dokumentation musste zeitnah erfolgen, und zwar bis zum Ende der Abgabefrist für Umsatzsteuererklärungen, die durch einen Steuerberater erstellt werden. Die Abgabefrist endete für den Veranlagungszeitraum 2019 am 31.8.2021. Diese Frist hat der Kläger eingehalten.

  • Es kommt nicht auf die allgemeine Abgabefrist für steuerlich nicht vertretene Steuerpflichtige an, die am 31.7.2020 endete. Denn ansonsten müsste der Kläger sein Zuordnungswahlrecht, das er durch Geltendmachung des vollständigen Vorsteuerabzugs ausüben kann, bis zum 31.7.2020 dokumentieren, obwohl er die Umsatzsteuerjahreserklärung, in der er den Vorsteuerabzug geltend macht, erst 31.8.2021 abgeben muss. Diese wäre mit dem europäischen Mehrwertsteuerrecht nicht vereinbar.

Hinweise: Das Urteil ist für steuerlich vertretene Unternehmer erfreulich, weil das FG die Dokumentationsfrist für die Zuordnungsentscheidung an diejenige (längere) Abgabefrist für die Umsatzsteuererklärung knüpft, die für steuerlich vertretene Unternehmer gilt. Die allgemeine Abgabefrist endet für 2023 bereits am 2.9.2024, während die Abgabefrist für steuerlich vertretene Unternehmer erst am 2.6.2025 endet.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat für Veranlagungszeiträume ab 2017 offengelassen, ob für Unternehmer, die steuerlich vertreten werden, eine längere Frist für die Dokumentation ihrer Zuordnungsentscheidung gilt. Das FG hat jedoch keine Revision zugelassen, so dass eine höchstrichterliche Entscheidung aussteht. Für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2016 hat der BFH ausschließlich auf die Abgabefrist für steuerlich nicht vertretene Steuerpflichtige abgestellt; bis einschließlich 2016 ergab sich die verlängerte Abgabefrist für steuerlich vertretene Steuerpflichtige aber auch nicht aus dem Gesetz, sondern nur aus einer Verwaltungsanweisung.

Die Dokumentation einer Zuordnungsentscheidung kann auch auf andere Weise als durch einen Vorsteuerabzug in der Umsatzsteuerjahreserklärung erfolgen, z.B. durch ein Schreiben an das Finanzamt oder durch Versicherungsunterlagen über eine betriebliche Versicherung oder einen Liefervertrag, der das gemischt-genutzte Wirtschaftsgut betrifft.

Quelle: FG Köln, Urteil vom 7.11.2023 – 8 K 2418/22; NWB


Bundesrat stimmt sog. Wachstumschancengesetz zu

25.03.2024 16:30

Der Bundesrat hat am 22.3.2024 dem Wachstumschancengesetz zugestimmt und damit einen Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat vom 21.2.2024 bestätigt.

Auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses wurden zahlreiche Änderungen am Gesetz vorgenommen, darunter:

  • Einführung einer degressiven Abschreibung auf Abnutzung (AfA) für Wohngebäude in Höhe von 5 Prozent,

  • Einführung einer degressiven AfA auf bewegliche Wirtschaftsgüter für 9 Monate,

  • auf vier Jahre befristete Anhebung des Verlustvortrags auf 70 Prozent (ohne Gewerbesteuer) sowie

  • Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung.

Das Gesetz hat zum Ziel, mit steuerlichen Investitionsanreizen die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken und soll in der geänderten Fassung zu Entlastungen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro führen.

Das Wachstumschancengesetz war am 17.11.2023 vom Bundestag verabschiedet worden. Am 24.11.2023 hatte der Bundesrat zu dem Gesetz den Vermittlungsausschuss angerufen. Nachdem Bundestag und Bundesrat dem Änderungsvorschlag des Vermittlungsausschusses nun zugestimmt haben, kann es nach Ausfertigung und Verkündung in Kraft treten.

Quelle: BundesratKOMPAKT, Meldung v. 22.3.2024; NWB


Vermietung möblierter Appartements in einem Boardinghouse

22.03.2024 09:00

Die Vermietung möblierter Appartements in einem sog. Boardinghouse ist kein Gewerbebetrieb, wenn außer der Vermietung keine wesentlichen Sonderleistungen erbracht werden und wenn die Vermietung für durchschnittlich zwei Monate pro Mieter erfolgt. Der Vermieter erzielt dann Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und darf vom Finanzamt nicht zur Buchführung aufgefordert werden.

Hintergrund: Gewerbliche Einkünfte liegen nicht vor, solange der Bereich der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten wird. Die Vermietung von Räumen oder ganzen Immobilien gehört grundsätzlich zur privaten Vermögensverwaltung; dies gilt jedoch nicht, wenn der Vermieter ähnlich wie ein Hotelier vermietet.

Steuerpflichtige, die gewerbliche oder land- und forstwirtschaftliche Einkünfte erzielen, aber handelsrechtlich nicht zur Buchführung verpflichtet sind, weil sie keine Kaufleute sind, können vom Finanzamt zur Buchführung verpflichtet werden, wenn ihr Gewinn höher als 60.000 € oder ihr Umsatz höher als 600.000 € ist.

Sachverhalt: Der Kläger errichtete ein sog. Boardinghouse mit Appartements in einer Größe zwischen 28 qm und 75 qm, die er möblierte. Der Kläger schloss mit der X-GmbH einen Betreiber- und Vermarktungsvertrag; die X-GmbH vermietete die Appartements im Namen des Klägers. Die Appartements konnten nicht ohne Voranmeldung gemietet werden, sondern es musste mehrere Tage vorab ein schriftlicher Mietvertrag geschlossen werden. Für jeden Aufenthalt wurden Kosten für eine Endreinigung in Höhe von 80 € in Rechnung gestellt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer betrug zwei Monate. In dem Gebäude befand sich kein Speisesaal. Die Appartements wurden alle zwei Wochen gereinigt. Das Finanzamt ging von gewerblichen Einkünften des Klägers aus und forderte ihn auf, ab 2019 Bücher zu führen. Gegen diese Aufforderung wehrte sich der Kläger.

Entscheidung: Das Finanzgericht Köln (FG) verneinte eine gewerbliche Tätigkeit des Klägers und gab der Klage statt:

  • Die Vermietung von Wohnungen führt nur dann zu gewerblichen Einkünften, wenn der Vermieter bestimmte, nicht übliche Sonderleistungen erbringt oder wenn wegen des häufigen Mietwechsels eine unternehmerische Organisation erforderlich ist, die einem Hotel vergleichbar ist.

  • Allein die Zwischenschaltung der X-GmbH führte nicht zwangsläufig zu einer gewerblichen Tätigkeit des Klägers. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Vermieter im Hinblick auf die Art des vermieteten Objekts und auf die Art der Vermietung mit einem Hotelbetrieb vergleichbar ist.

  • Diese Vergleichbarkeit war im Streitfall nicht gegeben. Zwar waren die Appartements wie Hotelzimmer eingerichtet, aber sie konnten nicht spontan angemietet werden, sondern es musste vorab ein schriftlicher Mietvertrag geschlossen werden. Die Kosten für die Endreinigung in Höhe von 80 € verteuerten kurze Aufenthalte von ein oder zwei Tagen erheblich. In dem Gebäude befand sich weder ein Restaurant noch ein Sportstudio, wie dies bei einem Hotel üblich wäre. Zwar stellte der Kläger einen WLAN-Zugang zur Verfügung und bot die Reinigung sowie Bettwäsche an; dies waren aber unschädliche Zusatzleistungen.

  • Der Kläger erzielte somit keine gewerblichen Einkünfte und durfte daher nicht zur Buchführung aufgefordert werden.

Hinweise: Bei der Vermarktung der Appartements durch die X-GmbH wurden durchaus verschiedene Sonderleistungen des Boarding-Hauses beworben, die für einen Hotelbetrieb sprachen und damit zu gewerblichen Einkünften hätten führen können; so wurde mit einer Espressobar, Leihfahrrädern, einem Concierge-Service und einer Notfall-Hotline geworben. Das FG vernahm hierzu Zeugen und stellte fest, dass die Leistungen tatsächlich nicht angeboten wurden. Statt einer Telefon-Hotline gab es z.B. lediglich einen Anrufbeantworter. Wären diese Leistungen tatsächlich angeboten worden, wäre das FG vermutlich von gewerblichen Einkünften ausgegangen.

Quelle: FG Köln, Urteil vom 22.6.2023 – 11 K 315/19; NWB


Haftung für Umsatzsteuerbetrug eines Mitarbeiters

20.03.2024 08:40

Der Unternehmer schuldet nicht die von seinem Arbeitnehmer betrügerisch ausgewiesene Umsatzsteuer, wenn der Unternehmer die zumutbare Sorgfalt an den Tag gelegt hat, um das Handeln seines Mitarbeiters zu überwachen, der die Daten des Unternehmers ohne dessen Wissen und ohne Zustimmung verwendet hat, um falsche Rechnungen im Namen des Unternehmers auszustellen, damit der Rechnungsempfänger die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer erschleichen kann.

Hintergrund: Umsatzsteuer schuldet der Unternehmer, der eine Leistung gegen Entgelt erbringt. Daneben gibt es nach deutschem Recht noch verschiedene Haftungstatbestände, nach denen ein anderer als der Unternehmer für die Umsatzsteuer haftet, z.B. eine Bank, die sich Forderungen eines Unternehmers abtreten lässt, der seine Umsatzsteuer nicht bezahlt. Auch in anderen EU-Staaten gibt es verschiedene Haftungsregelungen zur Umsatzsteuer. So haftet in Polen derjenige, der eine Rechnung mit einem ausgewiesenen Umsatzsteuerbetrag ausstellt.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine polnische GmbH, die eine Tankstelle betrieb. Arbeitnehmer P.K. leitete die Tankstelle. Im Zeitraum von Januar 2010 bis April 2014 stellte P.K. ca. 1.600 Rechnungen im Namen der Klägerin aus, ohne dass insoweit tatsächlich Leistungen erbracht wurden. In den Rechnungen wurden insgesamt ca. 320.000 € Umsatzsteuern gesondert ausgewiesen. Die Umsatzsteuer wurde nicht an das Finanzamt abgeführt, und die Rechnungen wurden nicht in der Buchführung der Klägerin erfasst. Tatsächlich hatte P.K. ohne Wissen und ohne Zustimmung der Geschäftsführung der Klägerin die Rechnungen im Namen der Klägerin ausgestellt, damit die Rechnungsempfänger einen betrügerischen Vorsteuerabzug vornehmen konnten. Im Mai 2014 wurde P.K. entlassen. Das polnische Finanzamt setzte gegen die Klägerin die in den Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer in Höhe von 320.000 € fest. Das oberste polnische Verwaltungsgericht rief den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an.

Entscheidung: Der EuGH hält eine Haftung der Klägerin unter bestimmten Voraussetzungen für möglich:

  • Umsatzsteuer kann auch dann geschuldet werden, wenn tatsächlich keine Leistung erbracht worden ist. Dies soll die Gefährdung des Steueraufkommens verhindern, die dadurch eintreten kann, dass der Rechnungsempfänger die Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend macht. Angesichts des betrügerischen Verhaltens des P.K. und der Rechnungsempfänger bestand eine derartige Gefährdung des Steueraufkommens, weil die Rechnungsempfänger vorhatten, die in den Scheinrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen.

  • Zwar ist es nach dem Wortlaut des polnischen Gesetzes nicht klar, ob die Klägerin, auf deren Namen die gefälschten Rechnungen lauten, oder aber P.K. als tatsächlicher Aussteller der Rechnung die Umsatzsteuer schuldet. Da die Regelung der Bekämpfung der Umsatzsteuerhinterziehung dient, ist es geboten, die Klägerin nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie nicht die zumutbare Sorgfalt an den Tag gelegt hat, um das Handeln ihres Arbeitnehmers P.K. zu überwachen und dadurch zu verhindern, dass dieser die Daten der Klägerin einschließlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für die Ausstellung falscher Rechnungen zu betrügerischen Zwecken, nämlich zum Zweck einer Umsatzsteuerhinterziehung verwendet. In diesem Fall, d.h. bei fehlender Sorgfalt, kann der Klägerin das betrügerische Handeln ihres Arbeitnehmers P.K. zugerechnet werden.

  • Anderenfalls wäre die Klägerin als gutgläubig anzusehen, und das Finanzamt müsste die Umsatzsteuer gegen den tatsächlichen Aussteller, wenn sie ihn – wie im Streitfall – kennt, festsetzen.

Hinweise: Im weiteren Verlauf des nun in Polen fortgesetzten Verfahren ist aufzuklären, ob die Klägerin die erforderliche Sorgfalt aufgebracht hat, das kriminelle Verhalten ihres Arbeitnehmers zu verhindern. Aus Sicht des Finanzamts ist dies zu verneinen, weil P.K. die Befugnis gehabt hat, außerhalb des EDV-gestützten Rechnungssystems Rechnungen auszustellen; eine Aufsicht durch die Buchhaltung war unterblieben.

Der EuGH bestätigt seinen Grundsatz, der auch für Deutschland Bedeutung hat, dass von einem Unternehmer gefordert werden kann, alle Maßnahmen zu ergreifen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass sein Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung führt.

Quelle: EuGH, Urteil vom 30.1.2024 – C-442/22; NWB


Betriebsprüfung nach dem Tod des bisherigen Betriebsinhabers zulässig

19.03.2024 08:41

Eine Betriebsprüfung kann auch nach dem Tod des bisherigen Betriebsinhabers angeordnet und durchgeführt werden; sie richtet sich dann gegen die Erben, und zwar auch dann, wenn die Erben den Betrieb nicht fortführen.

Hintergrund: Eine Betriebsprüfung darf grundsätzlich gegen jeden Steuerpflichtigen, der Gewinneinkünfte erzielt, angeordnet werden. Gewinneinkünfte sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Tätigkeit und aus Land- und Forstwirtschaft.

Sachverhalt: Die Kläger waren Söhne und Erben ihres Vaters V, der bis zu seinem Tod ein Bauunternehmen betrieben hatten. Die Kläger führten den Betrieb nicht fort. Das Finanzamt erließ gegenüber den Klägern eine Prüfungsanordnung für eine Betriebsprüfung, die mehrere Veranlagungszeiträume vor dem Tod des V betraf. Hiergegen wehrten sich die Kläger.

Entscheidung: Das Hessische Finanzgericht (FG) wies die Klage ab:

  • Eine Prüfungsanordnung kann gegen jeden Steuerpflichtigen, der Gewinneinkünfte erzielt, angeordnet werden. Der V erzielte als Bauunternehmer gewerbliche Einkünfte, sodass eine Prüfungsanordnung gegen ihn zulässig gewesen wäre.

  • Mit dem Tod des V gingen seine steuerlichen Pflichten auf seine Erben, die Kläger, über, ohne dass hierfür die Betriebsfortführung durch die Kläger erforderlich war. Daher konnte nun gegen die Kläger eine Prüfungsanordnung für Zeiträume ergehen, in denen der V gewerbliche Einkünfte aus seinem Bauunternehmen erzielt hatte. Auf diese Weise kann die Höhe des von V erklärten Gewinns überprüft werden.

Hinweise: Zwar werden die Kläger dem Außenprüfer möglicherweise keine Auskünfte erteilen oder die geforderten Unterlagen nicht vorlegen können, weil sie selbst den Betrieb nicht geführt haben und ihn vielleicht nicht kennen. Diese Schwierigkeiten sind jedoch bei der späteren Beweisführung zu würdigen, sprechen aber nicht gegen die Zulässigkeit einer Betriebsprüfung.

Quelle: Hessisches FG, Urteil vom 10.5.2023 – 8 K 816/20, Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH: Az. X B 73/23; NWB


Verzicht eines Kommanditisten auf eine Forderung gegen die Personengesellschaft

15.03.2024 08:24

Verzichtet ein Kommanditist auf eine Forderung, die er gegen seine KG hat und die er unter Nennwert erworben hat, kommt es bei der KG zu einem Ertrag in Höhe des Nennwerts der passivierten Verbindlichkeit. Dieser Ertrag kann nicht durch die Bildung eines steuerlichen Ausgleichspostens neutralisiert werden.

Hintergrund: Hat ein Gesellschafter einer unternehmerisch tätigen Personengesellschaft eine Forderung gegen die Personengesellschaft, ist dies aus Sicht der Personengesellschaft eine Verbindlichkeit. Damit unternehmerisch tätige Personengesellschaften nicht bessergestellt sind als Einzelunternehmer, gilt der Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung: Der Gesellschafter muss seine Forderung in seiner Sonderbilanz in der gleichen Höhe aktivieren, wie die Gesellschaft ihre Verbindlichkeit in ihrer Bilanz passiviert.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, deren Verbindlichkeiten 28 Mio. € betrugen und die zur C-Gruppe gehörte. Im Jahr 2010 geriet die C-Gruppe in finanzielle Schwierigkeiten. Die Kommanditisten der Klägerin erwarben die Forderungen der Gläubiger im Nennwert von 28 Mio. € zum Preis von 14 Mio. € und verzichteten gegenüber der Klägerin anschließend auf 14 Mio. €, sodass die Klägerin nur noch Verbindlichkeiten in Höhe von 14 Mio. € hatte. Die Klägerin behandelte den hälftigen Wegfall der Verbindlichkeit infolge des Verzichts gewinnneutral, indem sie einen steuerlichen Ausgleichsposten bildete.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:

  • Der Verzicht in Höhe von 14 Mio. € erhöhte den Gewinn der Klägerin. Denn die ursprüngliche Verbindlichkeit in Höhe von 28 Mio. € fiel aufgrund des Verzichts auf 14 Mio. € zur Hälfte weg und war nun nur noch 14 Mio. € wert. Damit hat der Verzicht bei der Klägerin zu einem sog. Wegfallgewinn von 14 Mio. € geführt.

  • Die Bildung eines Ausgleichspostens war nicht zulässig, da es für einen Ausgleichsposten keine Rechtsgrundlage gibt. Zwar kann eine Handelsbilanz steuerlich angepasst werden, um die steuerlichen Vorschriften zu befolgen; dies rechtfertigt jedoch nicht die Bildung eines Ausgleichspostens, um den Gewinn aus einem Verzicht zu mindern.

  • Der Wegfallgewinn konnte auch nicht durch eine Einlage kompensiert werden, da die Kommanditisten keine Einlage erbringen konnten. Denn sie durften die Forderungen nur in Höhe des Kaufpreises aktivieren, also in Höhe von 14 Mio. €. Nach dem Verzicht waren die Forderungen immer noch 14 Mio. € wert, sodass sie nichts in das Vermögen der Klägerin eingelegt haben.

Hinweise: Ein Verzicht führt beim Schuldner, der eine betriebliche Verbindlichkeit hat, zu einem Gewinn. Dieser Gewinn löst in der Regel eine steuerliche Belastung aus. Die steuerliche Belastung kann in bestimmten Fallgestaltungen durch eine Verrechnung mit einem vorhandenen Verlustvortrag, durch eine Einlage oder durch eine Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne gemildert werden.

Quelle: BFH, Urteil vom 16.11.2023 – IV R 28/20; NWB


An- und Verkauf von Forderungen als gewerbliche Tätigkeit

13.03.2024 10:17

Der An- und Verkauf nicht werthaltiger Darlehensforderungen stellt nur dann eine gewerbliche Tätigkeit dar, die der Gewerbesteuerpflicht unterliegt, wenn es sich nicht mehr um eine private Vermögensverwaltung handelt. Die für die Gewerblichkeit erforderliche Nachhaltigkeit, d.h. Wiederholungsabsicht, ist insbesondere beim Erwerb der Forderungen zu prüfen, nicht bei der späteren Verwertung der nicht werthaltigen Forderungen.

Hintergrund: Nutzt ein Steuerpflichtiger die Substanz von Wirtschaftsgütern, die zu seinem Privatvermögen gehören (z.B. Immobilien oder Forderungen), kann dies eine private Vermögensverwaltung sein, die nur im Rahmen der Spekulationsfrist steuerlich beachtlich ist, oder aber eine gewerbliche Tätigkeit, die grds. der Gewerbesteuer unterliegt. Eine gewerbliche Tätigkeit setzt eine selbständige nachhaltige Betätigung voraus, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und mit der sich der Steuerpflichtige am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt.

Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, die nicht bereits aufgrund einer sog. gewerblichen Prägung gewerbesteuerpflichtig war; Geschäftsführer war nämlich ein Kommanditist. Die Klägerin hatte weder eigene Büroräume noch eigene Angestellte. Die Klägerin erwarb in den Jahren 2004 bis 2006 mit sechs Verträgen nicht werthaltige Darlehensforderungen zu einem Gesamtkaufpreis von insgesamt 2,05 Mio. €; dabei erlangte die Klägerin auch die von den Schuldnern gestellten Sicherheiten. Im Streitjahr 2008 erhielt die Klägerin 3,29 Mio. € aus der Verwertung einer Sicherheit; sie hatte die Verwertung jedoch nicht aktiv betrieben. Das Finanzamt ging von gewerblichen Einkünften aus und erließ einen Gewerbesteuermessbescheid.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) verneinte eine Gewerbesteuerpflicht und gab der Klage statt:

  • Die Klägerin war nicht gewerblich tätig. Zwar war sie nachhaltig tätig, also mit Wiederholungsabsicht. Sie hat aber nicht die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten.

  • Bei einem Forderungskäufer ist von einer nachhaltigen Tätigkeit auszugehen, wenn er mit mindestens zwei getrennten Erwerbsgeschäften Forderungen erwirbt. Denn dann handelt es sich nicht nur um eine einmalige Tätigkeit. Bei der Nachhaltigkeit kommt es auf die Erwerbsseite an und nicht auf die Absatzseite; der Ankauf der Forderung ist nämlich die entscheidende Tätigkeit eines Forderungsverwerters, nicht aber die spätere Einziehung der Forderung oder Verwertung der Sicherheit. Im Streitfall hat die Klägerin die Forderungen durch insgesamt sechs Verträge erworben und war damit nachhaltig tätig.

  • Die Tätigkeit der Klägerin überschritt jedoch nicht den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung, da sie nicht mit Forderungen gehandelt hat. Sie ist auch nicht als gewerblicher Dienstleister für andere tätig geworden. Weiterhin ist die Klägerin auch nicht wie ein Inkassounternehmen aufgetreten. Sie hat sich also nicht aktiv um eine Forderungsrealisierung bemüht. Schließlich hat die Klägerin weder Arbeitnehmer beschäftigt noch über eigene Büroräume verfügt.

  • Zwar hat die Klägerin hohe finanzielle Mittel für den Forderungserwerb eingesetzt. Allein hohe finanzielle Mittel sprechen aber nicht gegen eine private Vermögensverwaltung, da es auch bei Kapitalanlagen in der privaten Sphäre zu hohen Investitionen kommen kann, etwa beim Ankauf von Immobilien oder Aktien.

Hinweise: Hätte die Klägerin mehrere Forderungen in nur einem einzigen Vertrag erworben, wäre dies nicht nachhaltig gewesen, weil es sich dann nur um einen einzigen Erwerbsvorgang gehandelt hätte. Etwas anderes hätte gegolten, wenn die Klägerin über eine besondere Büroorganisation oder über Personal verfügt hätte; in diesem Fall wäre es aber vermutlich unwahrscheinlich gewesen, dass sich die Klägerin auf nur einen Erwerbsvorgang beschränkt hätte.

Bei der Prüfung der Nachhaltigkeit kommt es – anders als im Streitfall – dann auf die Absatzseite an, wenn der Steuerpflichtige Sachwerte verkauft. Die Klägerin hat die Forderungen jedoch nicht verkauft, sondern sie hat sich auf den Einzug von Forderungen sowie auf die Verwertung von Sicherheiten beschränkt.

Quelle: BFH, Urteil vom 30.11.2023 – IV R 10/21; NWB


Umsatzsteuer-Umrechnungskurse (Stand: Februar 2024)

08.03.2024 08:19

Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Februar 2024 bekannt gegeben.

Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2024 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.

Quelle: BMF, Schreiben v. 1.3.2024 - III C 3 - S 7329/19/10001 :006 (2024/0187965); NWB


Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen

27.02.2024 08:40

Der Bundesfinanzhof (BFH) sieht in zwei weiteren Entscheidungen die Höhe der Säumniszuschläge von 12 % jährlich (= 1 % monatlich) als verfassungsgemäß an. Dies gilt auch für den Zeitraum ab dem 1.1.2019, in dem der Zinssatz für Nachzahlungszinsen, die bei Steuernachzahlungen entstehen, aus verfassungsrechtlichen Gründen von 6 % auf 1,8 % jährlich herabgesetzt worden ist. Dem BFH zufolge sind Säumniszuschläge nicht mit Nachzahlungszinsen vergleichbar.

Hintergrund: Bei einer verspäteten Zahlung von Steuern werden für jeden Monat Säumniszuschläge in Höhe von 1 % des rückständigen Betrags verwirkt (jährlich 12 %). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Jahr 2021 die Höhe des Zinssatzes von 6 % für Nachzahlungszinsen für Zeiträume ab 1.1.2019 für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber hat deshalb rückwirkend ab 1.1.2019 den Zinssatz auf 0,15 % monatlich bzw. 1,8 % jährlich gemindert. Für Säumniszuschläge gilt der Satz von 1 % pro Monat weiterhin; ob diese Höhe verfassungskonform ist, ist umstritten. Der BFH hat bislang überwiegend die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge bestätigt.

Sachverhalt: In den beiden aktuellen Fällen ging es um Säumniszuschläge für Zeiträume ab dem 1.1.2019. Eines der beiden Verfahren war ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in dem es um die Aussetzung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids über Säumniszuschläge ging. Das andere Verfahren betraf eine Klage gegen einen Abrechnungsbescheid über Säumniszuschläge. Für die beiden Verfahren waren der X. und der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) zuständig.

Entscheidung: Beide Senate des BFH bestätigten die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge:

  • Der X. und der XI. Senat des BFH stützen sich jeweils auf zwei Urteile des VII. BFH-Senats, in denen dieser für Zeiträume bis zum 31.12.2018 die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge bejaht hat.

  • Für Säumniszuschläge gelten nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen, die vom BVerfG an Nachzahlungszinsen gestellt werden. Bei Säumniszuschlägen geht es nämlich vorrangig um die Sanktionierung einer verspäteten Zahlung, während bei Zinsen die Abschöpfung von Liquiditätsvorteilen im Vordergrund steht.

  • Zwar gibt es seit dem Jahr 2014 ein strukturelles Niedrigzinsniveau in Deutschland; dieses muss bei Säumniszuschlägen aber nicht berücksichtigt werden, da Säumniszuschläge weder Zinsen sind noch einen konkreten Zinsanteil enthalten.

  • Die Ausführungen des VII. BFH-Senats bezogen sich zwar auf Zeiträume bis zum 31.12.2018; nach den beiden aktuellen Entscheidungen des BFH gelten diese Ausführungen aber auch für Zeiträume ab 2019. Denn die verfassungsrechtlichen Gründe für eine Unterscheidung zwischen Nachzahlungszinsen einerseits und Säumniszuschlägen andererseits gilt auch für Zeiträume ab 1.1.2019.

Hinweis: Zwar gibt es auch eine abweichende Entscheidung eines weiteren BFH-Senats (VIII. Senat), der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit geäußert hat. In den beiden aktuellen Entscheidungen wird die abweichende Entscheidung dieses weiteren Senats aber als überholt bezeichnet, weil nunmehr die Urteile des VII. Senats vorliegen, die die Verfassungsmäßigkeit bestätigen.

Eine abschließende Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit kann nur vom BVerfG getroffen werden.

Quelle: BFH, Beschluss vom 13.9.2023 – XI B 38/22 (AdV); Urteil vom 23.8.2023 - X R 30/21; NWB


Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen für einen Zins-Swap

26.02.2024 08:26

Aufwendungen für einen Zins-Swap sind gewerbesteuerlich grds. nicht dem Gewinn hinzuzurechnen, da die Aufwendungen nicht für eine Kapitalüberlassung in Gestalt eines Darlehensvertrags gezahlt werden. Eine Hinzurechnung kommt jedoch dann in Betracht, wenn der Zins-Swap und der Darlehensvertrag als einheitliche Schuld zusammengefasst werden können, weil sie in sachlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht eng miteinander verflochten sind.

Hintergrund: Bei der Gewerbesteuer wird ein Viertel der Zinsen dem Gewinn wieder hinzugerechnet, soweit der Hinzurechnungsbetrag zusammen mit anderen gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen 200.000 € übersteigt.

Sachverhalt: Die Klägerin schloss am 21.7.2006 mit einem spanischen Bankenkonsortium, das aus vier Banken bestand, einen Darlehensvertrag über ein Gesamtvolumen von ca. 180 Mio. €. Am 19.10.2006 traten sechs weitere Banken dem Konsortium bei, sodass insgesamt zehn Banken zum Konsortium gehörten. Im Zeitraum vom 31.10.2006 bis 12.1.2007 schloss die Klägerin mit den vier ursprünglichen Konsortiumsbanken jeweils einen Zins-Swap-Vertrag. Der jeweilige Zins-Swap-Vertrag sollte bis zum 31.12.2014 laufen und bezog sich auf einen Sicherungsbetrag von 20 Mio. € (insgesamt 80 Mio. €); der Zins-Swap-Vertrag war von der Valutierung des Darlehens unabhängig. Das Finanzamt sah in den Zins-Swap-Aufwendungen i. H. von ca. 2 Mio. € (2010) und ca. 1,6 Mio. € (2011) Zinsen und rechnete sie gewerbesteuerlich hinzu.

Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Der BFH widersprach der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung. Die Zins-Swap-Aufwendungen waren keine Zinsen, da sie nicht für die Überlassung von Kapital gezahlt wurden.

  • Der Zins-Swap-Vertrag und der Darlehensvertrag könnten nur dann als einheitliche Schuld zusammengefasst werden, wenn sie eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies wäre der Fall, wenn sie in sachlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht eng miteinander verflochten wären, also beide Verträge die identischen Vertragspartner hätten, zum gleichen Zeitpunkt abgeschlossen worden wären, gleich hohe Beträge und Laufzeiten hätten und wenn die Fälligkeitstermine der Zins- und Swapverbindlichkeiten aufeinander abgestimmt wären.

  • Die vorstehend genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Denn weder Laufzeit noch die Höhe der Darlehensvaluta waren identisch. Die ursprünglichen vier Konsortialbanken, die auch Vertragspartner der Zins-Swap-Vereinbarungen waren, hatten Darlehen nur i.H. von jeweils ca. 13,6 Mio. € gewährt, während sich der jeweilige Zins-Swap auf jeweils 20 Mio. € bezog. Zudem waren die Zins-Swap-Aufwendungen unabhängig von den Darlehensvertragsverpflichtungen zu erbringen. Ferner sind die Zins-Swap-Vereinbarungen weder vollständig noch anteilig auf die weiteren sechs Konsortialbanken, die dem Konsortium später beigetreten sind, übergegangen.

Hinweise: Im Streitfall blieb es somit bei dem Grundsatz, dass mehrere Schuldverhältnisse nicht zusammengefasst werden können. Ein bloßer Kausalzusammenhang zwischen den Verträgen, dass der Zins-Swap-Vertrag ohne den Darlehensvertrag nicht abgeschlossen worden wäre, reicht nicht aus.

Ein Zins-Swap, also Zinstausch, dient dazu, die Risiken, die sich aus schwankenden Zinssätzen ergeben, zu mindern. Im Ergebnis soll eine Zinssicherung erreicht werden.

Wird im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein Immobiliendarlehen durch einen Zins-Swap abgesichert, sind die laufenden Aufwendungen für den Zins-Swap zwar Werbungskosten, nämlich Schuldzinsen. Ein abschließender Verlust bei Beendigung des Zins-Währungs-Swaps ist nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung aber nicht als Werbungskosten absetzbar, weil er aus dem Fremdwährungsrisiko resultiert und damit die nicht steuerbare Vermögenssphäre betrifft.

Quelle: BFH, Urteil vom 16.11.2023 – III R 27/21; NWB


Zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer muss nicht stets an das Finanzamt abgeführt werden

20.02.2024 14:10

Weist ein Unternehmer zu Unrecht Umsatzsteuer aus, muss er diese nicht an das Finanzamt abführen, wenn er in gutem Glauben war, dass seine Leistung der Umsatzsteuer unterliegt, oder wenn sein Vertragspartner nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist.

Hintergrund: Wird Umsatzsteuer zu Unrecht in einer Rechnung ausgewiesen, obwohl die Leistung gar nicht der Umsatzsteuer unterliegt, muss der Rechnungsaussteller nach dem Gesetz die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.

Sachverhalt: Die Klägerin erbrachte Postdienstleistungen, u. a. Zustellungen für Behörden. Die meisten Kunden (ca. 99 %) waren nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nach einer verbindlichen Auskunft des Finanzamts, die die Klägerin zuvor beantragt hatte, waren die Zustellungen umsatzsteuerpflichtig. Die Klägerin stellte ihren Kunden, insbesondere den nicht vorsteuerabzugsberechtigten Behörden, die Umsatzsteuer gesondert in Rechnung. Später stellte sich heraus, dass die Zustellungen umsatzsteuerfrei waren. Das Finanzamt verlangte nun die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer von der Klägerin.

Entscheidung: Das Finanzgericht Köln (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Das FG Köln schränkt die gesetzliche Regelung, nach der zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt werden muss, ein.

  • Dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zufolge muss zu Unrecht gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt werden, wenn der Leistungsempfänger eine Privatperson ist und daher nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist. Das Umsatzsteueraufkommen ist dann nämlich nicht gefährdet, weil die Privatperson die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gar nicht als Vorsteuer geltend machen kann.

  • Diese Rechtsprechung lässt sich auch auf den Streitfall übertragen. Zwar waren die Leistungsempfänger keine Privatpersonen, sondern ganz überwiegend Behörden. Die Behörden waren aber ebenfalls nicht vorsteuerabzugsberechtigt, sodass insoweit ebenfalls keine Gefahr bestand, dass Vorsteuer geltend gemacht wird.

  • Die Pflicht, die zu Unrecht gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen, greift auch nicht insoweit, als die Klägerin im Umfang von etwa 1 % Leistungen an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer erbracht hat, die die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen könnten. Die Klägerin befand sich nämlich in gutem Glauben, als sie von einer Umsatzsteuerpflicht ihrer Leistungen im Bereich der Zustellungen ausging. Sie hatte eine verbindliche Auskunft des Finanzamts erhalten, nach der die Leistungen umsatzsteuerpflichtig sein sollten. Es wäre unverhältnismäßig, von der Klägerin zu verlangen, dass sie die Umsatzsteuer nun abführen muss oder aber sämtliche Rechnungen, die sie den vorsteuerabzugsberechtigten Vertragspartnern ausgestellt hat, berichtigen muss, um die Abführung der Umsatzsteuer zu vermeiden.

Hinweise: Gegen das Urteil ist Revision beim BFH eingelegt worden. Sollte der BFH das Urteil des FG bestätigen, müssten die Rechnungen aufgrund der Gutgläubigkeit der Klägerin nicht berichtigt werden. Die Klägerin könnte die zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer behalten, sofern die Vertragspartner nicht die Rückzahlung der Umsatzsteuer von ihr verlangen.

Die Gutgläubigkeit der Klägerin folgte im Streitfall aus der falschen verbindlichen Auskunft, die zu Ungunsten der Klägerin ergangen war; denn das Finanzamt hatte fehlerhaft eine Umsatzsteuerpflicht bejaht. Ohne diese verbindliche Auskunft wäre die Gutgläubigkeit nicht zu bejahen gewesen. Das Urteil bleibt jedoch erfreulich, soweit es um fehlerhaft ausgewiesene Umsatzsteuer gegenüber Unternehmern, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, oder gegenüber Privatpersonen geht.

Quelle: FG Köln, Urteil vom 25.7.2023 – 8 K 2452/21, Rev. beim BFH: Az. V R 16/23; NWB